Shelley Lasica, Performance Represent, Murray White Room, Melbourne

Mit vorsichtigen Bewegungen ertastet die australische Tänzerin Shelley Lasica die Garage des schmucken Gründerzeitbauses in der Berliner Mommsenstraße 8. Sie hebt das angewinkelte Bein und scheint damit in die zweidimensionale Fläche einzugehen, mit der Rückwand zu verschmelzen. In der zwanzigminütigen Performance „Represent“ untersucht sie Zentimeter für Zentimeter den Raum, um diesen in stetig wechselnder Perspektive sprichwörtlich zu begreifen.

Lasica ertanzt sich damit auch den „Garten der Villa Sino-Turco-Romana“. So lautet der Titel eines Wandbildes, das der Australier Tony Clark im Rahmen des Berliner Project Space Festivals auf den Wänden der Garage geschaffen hat. Als Vorbild dazu diente dem Australier die Szenerie der „Portland Vase“ aus frühaugusteischer Zeit, über deren Ikonographie die Wissenschaftler bis heute rätseln. Shelly Lascia übernimmt die Körperlichkeit der Figuren und öffnet dem Zuschauer so eine zusätzliche Erzählebene.

Die imaginäre Villa zum Garten hat der Künstler in Pförtnerloge über der Garage eingerichtet. Dabei knüpft er an das Ausstellungsprojekt „Villa Sino-Romana“ 1987 in Sydney an. Während Australien bis in die 1980er-Jahre ausschließlich auf Europa fixiert war, öffnete sich die Gesellschaft in diesem Zeitraum auch den Einflüssen der asiatischen Einwanderer. Zunehmend verstand sich das Land als eine im Pazifik verortete Kultur.


Tony Clark, Chinoiserie Landscape, Rheinfall 2018, courtesy 11m2

Auch Deutschland sollte sich des Einflusses seiner Einwanderer bewusster zuwenden. So oder ähnlich lässt sich Clark lesen, wenn er zur Wiederbelebung der Villa in Berlin den römischen und asiatischen auch türkische Stilelemente hinzufügt. Blaue Fächer und ein Mosaikfragment schmücken die Wände und korrespondieren mit der ebenfalls in Blautönen gehaltenen Decke. Gemeinsam bilden diese Elemente ein harmonisches Ganzes von ansprechender Ästhetik.

Bis ins 18. und 19. Jahrhundert hinein war Türkisches in Deutschland en vogue, freilich eher als exotische Mode denn als kulturverändernder Einfluss. An die Blütezeit der sogenannten „Turquoiserie“ erinnern zum Beispiel die Moschee im Schlossgarten von Schwetzingen oder die ehemalige Tabakfabrik Yenidze in Dresden. Mozart lässt eine seiner populärstem Opern im Serail spielen und das Haus Villeroy & Boch hatte Ende des 18. Jahrhunderts in einer Keramikserie Motive des „exotischen Orients“ aufgegriffen.

„Die Villa bietet den Blick auf den Reichtum einer Kultur, die sich dem ´Fremden` öffnet, um es schließlich in neuer Form als das facettenreiche Eigene wiederzuerkennen“ erklärt Rafael von Uslar das Konzept der Installation und der Performance. Er ist der Betreiber des privaten Kunstraums, der – auf drei Ebenen verteilt – nur insgesamt 11 qm2 fasst. Doch mit der begrenzten Quadratmeterzahl geht der Privatmann selbstbewusst um: Längst hat er erkannt, dass die räumliche Dichte auch die Chance in sich birgt, Ideen zu bündeln und somit auf den Punkt zu bringen.


11m2 Projektraum, Foto: Geo Reisinger

Das ist mit der ebenso vielschichtigen wie ironischen Installation Villa Sino-Turk-Romana sicherlich gelungen. Gerade in diesen Tagen, in denen Mesut Özils Austritt aus der Nationalmannschaft zu heftigen Diskussionen über das „Türkischsein“ in Deutschland führte, ist der Rückblick auf die stilistischen Einflüsse auf unsere Kultur erfrischend. Und da Kulturen nicht statisch, sondern in steter Bewegung sind, mag der Rückblick zugleich auch ein optimistischer Ausblick sein. Der Ausblick auf eine neue Erzählung.

Eine Performance von Shelley Lasica in der Villa Sino-Turk-Romana von Tony Clark für 11m2, Berlin-Charlottenburg am 03.08.2018

11m2
Mommsenstraße 8
10629 Berlin
https://11m2berlin.com/