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Rohkunstbau und die Sache mit der Moral

von Alina Archelrod (21.08.2013)
vorher Abb. Rohkunstbau und die Sache mit der Moral

Blick in den Ausstellungsraum mit Arbeiten von Philipp Fürhofer, Foto: Alina Archelrod

Die Wenigsten kennen das idyllische Schloss Roskow, nahe Potsdam, das die Familie von Katte im 18. Jahrhundert errichtete. Hermann von Katte war mit Friedrich II. befreundet und half diesem auf der Flucht vor seinem tyrannischen Vater, dem preußischen König Friedrich Wilhelm I. Beide wurden ertappt. Zur Strafe musste Friedrich die Hinrichtung seines Freundes mit ansehen. Denn er hatte gegen die Moralvorstellungen seines Vaters verstoßen…

Moral – ist auch das Motto des diesjährigen Ausstellungsprojektes Rohkunstbau, das wieder unter der Regie des künstlerischen Leiters Dr. Arvid Boellert und des Kurators Mark Grisbourne initiiert wurde.

Abgesehen von der historischen Bedeutung des Ausstellungsortes schöpften sie Inspiration aus einer Oper des 19. Jahrhunderts: „Der Ring der Nibelungen“ von Richard Wagner.
Macht, Revolution, Untergang und Moral sind die zeitlosen Themen der Oper, die von zeitgenössischen Künstlern vor Ort neu verarbeitet werden. Es geht um den immerwährenden Konflikt des Menschen: „Folge ich meinen eigenen Wünschen und Bedürfnissen? Oder beuge ich mich – um Sanktionen zu vermeiden – den äußeren, sozialen Restriktionen meiner Zeit?“

Das Ziel des Kurators Mark Grisbourne ist dabei weniger, „Das Nibelungenlied“ inhaltlich zu beleuchten, sondern „ (…) seine grenzüberschreitenden Narrative, die einen ideelen Entwurf darstellen, der bis in unsere Gegenwart hinein auf Resonanz zu stoßen vermag.“

Nach einjähriger Pause sind dieses Mal Arbeiten der KünstlerInnen Marcel Brühler, Margret Eicher, Valérie Fauvre, Philipp Fürhofer, Zlatko Kopljar, Elke Silvia Krystufek, Katharina Sieverding, Annelies Strba, Ming Wong und Michael Wutz zu sehen. Die Ausstellung bespielt zwei Stockwerke des Schlosses Roskow.

Die Skulpturen Philipp Fürhofers (*1982 ) im Erdgeschoss haben wortwörtlich eine besondere Ausstrahlung. Die plan -konkaven, halb-transparenten Objekte sind von innen beleuchtet. Auf gebogener Spionsspiegelplatte erscheint eine gestisch-expressive Malerei. Eine gelungene Symbiose aus Malerei und Skulptur.
Als Bühnenbildner für Opernproduktionen (zuletzt „Die Passagierin“, eine Oper von Mieczyslaw Weinberg, die am Staatstheater Karlsruhe aufgeführt wurde (5/2013)) setzt Fürhofer seine Werke durch die Titelgebung zu bekannten Opern in Verbindung. So spielt der Name „Freischütz, 224 Watt“ auf Carl Maria Webers Oper an. Der aus Augsburg stammende Künstler lebt und arbeitet in Berlin. Er hat bereits mehrere Auszeichungen erhalten, zuletzt 2011 von Nextgastein Artist Residency, Bad Gastein/Österreich.

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Elke Silvia Krystufek, Foto: Alina Archelrod

In einem der nächsten Räume im Erdgeschoss stößt man auf Arbeiten von Elke Silvia Krystufek (* 1970). Inspiration schöpft die Künstlerin zum einen aus dem Wiener Aktionismus, den sie aus einer feministischen Perspektive heraus betrachtet. Zum anderen ist ihr künstlerisches Schaffen durch Zeichnungen von Egon Schiele beeinflußt.
Ihre Bilder zeigen Männerakte. Einer davon sei ein österreichischer Modedesigner, erzählt Krystufek. Das Model sei ihr vermittelt worden, da sie für die Biennale 2009 Akte malen wollte. Ihre Ansprüche an das unbekannte Malmodel: 1. Unbekannter, 2. gewillt als Aktmodel gemalt zu werden. Krystofek spricht vom fehlenden Blick: „ In der klassischen Rollenverteilung der Kunstgeschichte werden Frauen von Männer gemalt – selten andersherum.“

Vor Ort sind Abbildungen des polnischen Künstlers Witkacy und des britischen Malers Duncan Grant (1885-1978) zu sehen. Die letztere Arbeit trägt den Titel „You don´t want to be one of those Picabias you say“ und zeigt eine Collage aus Text und Bildfragmenten.
Es geht Krystufek vor allem um die Untersuchung und Darstellung der Machtstrukturen unter den Geschlechtern sowie der Norm-Vorstellungen unserer Zeit.


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Blick in den Ausstellungsraum mit Arbeiten von Margret Eicher, Foto: Alina Archelrod

Überraschende Motive auf zwei, 300 x 300 cm großen Wandteppichen begegnen dem Besucher beim Betreten des klassizistisch anmutenden Raums im 1. Obergeschoss. Die Tapisserien von Margret Eicher (*1955), die in Belgien auf der Basis digitaler Daten (CD) mittels eines digital gestützten Webverfahrens produziert werden, sind industriell hergestellte Zitate auf ihr ursprünglich handwerklich gemachtes Vorbild.

Die beiden Arbeiten „Heros I“ und „Heroes II“ zeigen einzelne Figuren aus völlig unterschiedlichen Welten in einer Szene zusammenfügt. Ohne Bezug zueinander sind Lara Croft, der ehemalige russische Manager Michail Chodorkowski und die „Cuddle“-Hässchen aus dem Cartoon „Happy Tree Friends“ in eine Renaissance-Landschaft gesetzt. Die Bordüre ist einem klassischen Wandteppich nachempfunden, die Leiste am unteren Rand ist jedoch eine Computeranimation.
Der andere Wandteppich zeigt den Rapper Nelly, der umgarnt wird von leicht bekleideten Schönheiten. Lasziv schmiegen sich Frauenfiguren um die beidseitigen Säulen.

Eine patriarchalisch dominierte Welt mit vielen klassischen Kunstzitaten aus allen Epochen: barocker Bildrahmen der Teppiche, Säulen als typisches antikes Schmuck- und Bauelement, Renaissance-Landschaft mit Hügeln und Festungen sowie die Hässchen, die stellvertretend für Putten die beiden Bildseiten flankieren.
Die vertrauten „Helden“ (oder vielleicht auch Anti-Helden) wirken durch den ungewohnten Kontext befremdlich und verleiten zum Nachsinnen über unsere Definition des „Helden“: Was muss man heutzutage leisten um ein Held zu sein? Reicht Berühmtheit schon aus? Muss man überhaupt eine real existierende Person sein?

Die Kunstwerke der Ausstellung behandeln das Thema Moral aus unterschiedlichen Perspektiven. Ein roter Faden, der die einzelnen Ausstellungsräume in Beziehung setzt, ließ sich jedoch nicht ausmachen. Der Bezug auf Wagner lässt sich nicht schlüssig nachvollziehen. Vielleicht liegt es auch an der Erwartungshaltung, dass sich bei dem Thema Moral gerade im Bereich der zeitgenössischen Kunst andere Fragen aufdrängen.

XIX. ROHKUNSTBAU - MORAL
Ausstellungszeitraum: 11. August bis 22. September 2013
Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag 12-18 Uhr
Ort: Schloss Roskow, Dorfstr. 30, 14778 Roskow
Eintritt: 8 EUR, ermäßigt 5 EUR

rohkunstbau.de/

Alina Archelrod

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IX Rohkunstbau

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