logo art-in-berlin.de
Berlin Daily 10.12.2024
Künstler*innengespräch

19 Uhr: mit Professorin für Medienkunst an der HGB Leipzig, Christin Lahr und den Künstler*innen der Ausstellung "Crimes of Carelessness (the deep and the foamy)" (engl.). VILLA HEIKE | Freienwalder Str. 17 | 13055 Berlin

Unter der Oberfläche ... – das Ausstellungsprogramm der 31. transmediale

von Anna Wegenschimmel (31.01.2018)
vorher Abb. Unter der Oberfläche ...  – das Ausstellungsprogramm der 31. transmediale

A Becoming Resemblance by Heather Dewey-Hagborg and Chelsea Manning
Courtesy of Heather Dewey-Hagborg, Chelsea E. Manning and Fridman Gallery, New York
Photo: Paula Abreu Pia


Heute wird im Haus der Kulturen der Welt die 31. Ausgabe der transmediale –festival for art and digital culture eröffnet, die unter dem Titel „face value“ den Verknüpfungen von Kapitalismus und Faschismus im digitalen Zeitalter nachspürt. Das Leitmotiv der diesjährigen Ausgabe, nämlich der Blick unter die Oberfläche, klingt bereits in der Doppeldeutigkeit des Titels an: Wörtlich übersetzt meint „face value“ den unveränderbaren, fixierten Nennwert, also etwa die Ziffer auf einem Geldschein oder einer Münze. Der (meist als Warnung ausgesprochene) Hinweis „not to take something at face value“ meint hingegen, einen Sachverhalt nicht kritiklos hinzunehmen, ihn nicht „für bare Münze zu nehmen“. In vier Festivaltagen wartet die transmediale unter der künstlerischen Leitung von Kristoffer Gansing mit über 60 Veranstaltungen auf, die sich als Hybride aus Kunst, Philosophie, Wissenschaft und Politik der Frage widmen, „welche Wertschöpfungsprozesse zu den extremen politischen, ökonomischen und kulturellen Gräben der Gegenwart geführt haben“. Achtung, Spoiler: Das Internet als Nährboden für Populismus, Rassismus und Hate Speech wird in den Workshops, Diskussionen, Vorträgen, Performances und Film-Screenings eine zentrale Rolle spielen.

Wie üblich umfasst die transmediale auch dieses Jahr ein Ausstellungsprogramm. Unter dem Titel „Territories of Complicity“ zeigt die Kuratorin Inga Seidler in der Ausstellungshalle 1 acht Werke, die allesamt den 2010er-Jahren entstammen. Beim Betreten der Halle ist zunächst jedoch keine der Arbeiten sichtbar – dafür sorgt das exzeptionelle Display der Berliner Architekt*innen-Gruppe raumlabor. Erst wer die Treppen hinabsteigt und sich in die Container-Struktur begibt, kann sich in acht Boxen den darin installierten Arbeiten widmen. Wie Seidler erklärt, verweist das Setting auf das Phänomen des Freihafens, einem zollfreien Gebiet, in dem importierte Waren gelagert und weiterverarbeitet werden können. Kritisiert werden diese Ausnahmegebiete unter anderem, weil sie zahlreichen Kunsthändlern als steuerfreie Depots und Geldwaschanlagen dienen. In diese Kerbe schlägt das Kunst- und Forschungsprojekt Demystification Committee mit seiner Arbeit „Offshore Investigation Vehicle“. Das Projekt gründete ein internationales Unternehmen, das Bademode vermarktet und in diesem Rahmen die Strukturen von Offshore-Finanzgeschäften und den damit verbundenen verdeckten Bewegungen von Geldern untersucht. Auf der Homepage des Projektes können sowohl die Bademode erworben als auch die wissenschaftlichen Ergebnisse der Offshore Studies eingesehen werden. Die Absurditäten des internationalen Handels stehen in anderem Kontext auch in Lisa Raves „Europium“ im Fokus. In der 30minütigen essayistischen Videoarbeit erzählt die englische Künstlerin von dem titelgebenden fluoreszierenden Element, das in Papua-Neuguinea gewonnen und in Europa für Smartphone-Screens und als Fälschungsschutz für europäische Banknoten verarbeitet wird.
Neben dem Handel bietet das Motiv des Freihafens auch Platz für Themen wie Transport und Grenzen, die etwa der irische Künstler Yuri Pattison in seiner Videoarbeit mit dem vielsagenden Titel „citizens of nowhere (context collapse)“ aufgreift, in der er Miniaturmodelle von berühmten Städten und Denkmälern filmt. Das Künstlerduo Forensic Oceanography (Lorenzo Pezzani & Charles Heller) präsentiert in seiner Installation „Blaming the Rescuers“ die Ergebnisse seiner Forschung zu der Arbeit von NGOs bei der Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer. Auf einem der Screens ist zu lesen: „Today, NGOs are under attack, wrongly accused of ´colluding with smugglers`. This report refutes these accusations through empirical analysis“.

Neben der Schau „Territories of Complicity“ zählt zum Ausstellungsprogramm auch eine Gastausstellung in Halle 2, wo Heather Dewey-Hagborg mit „A Becoming Resemblance“ 30 mögliche Bildnisse der Whistleblowerin Chelsea Manning zeigt, die sie aufgrund der Analyse ihrer DNA als 3D-Drucke gefertigt hat. Darüber hinaus ist im Foyer des HKW eine Installation zu sehen, in der Nick Thurston unter dem Titel „Hate Library“ die Sprache von rechtsextremen Gruppierungen in Europa auf Online-Plattformen vom Digitalen ins Analoge holt, indem er einschlägige Beiträge auf Papier als Booklets präsentiert.

Die Herangehensweise der „Artistic Research“ als Motor zur Sichtbarmachung von Missständen zieht sich als roter Faden durch das gesamte Ausstellungsprogramm. Sie bringt es mit sich, dass man sich als Besucher*in mit vielschichtigen Werk-Komplexen konfrontiert sieht, die nicht nur Eindrücke, sondern auch dichte Informationen vermitteln. Die kritische Analyse der digital strukturierten Gegenwart und deren politischer Charakter zeichnet das Festival aus, das von Do, 1. bis So, 4. Februar dauert. Die Festivalpässe sind bereits ausverkauft, Einzeltickets zu den diversen Veranstaltungen können aber noch erworben werden.

Haus der Kulturen der Welt
John-Foster-Dulles-Allee 10
10557 Berlin
https://2018.transmediale.de/de

Anna Wegenschimmel

weitere Artikel von Anna Wegenschimmel

Newsletter bestellen




top

Titel zum Thema transmediale:

transmediale 2024
Unter dem Titel you’re doing amazing sweetie findet Ende Januar die 37. Ausgabe des transmediale Festivals statt (31.1.-2.2.2024).

transmediale 2023
Überblick zur transmediale 2023 "a model, a map, a fiction"

Refuse & Restart: Aufbruch in den digitalen Status No mit der transmediale 2021
Anmerkungen zur transmediale: Die transmediale im Praxistest: Unter neuer künstlerischer Leitung von Nora O Murchú wagt das Festival für Medienkunst und digitale Kultur in seiner 34. Ausgabe den Sprung in eben jene. Heute endet in diesem Rahmen die Ausstellung Rendering Refusal im Kunstraum Kreuzberg/ Bethanien (Anml. telefonisch).

Erste Programmankündigungen von der transmediale
Kurzinfo: Die kommende transmediale 2020 findet vom 28.1.20-1.3.20 statt. Ihr Titel lautet End to End. Kürzlich wurden erste Programmpunkte veröffentlicht.

transmediale 2020 E2E
Kurzinfo: Die kommende transmediale, die nächstes Jahr vom 21.1.-1.3.2020 stattfindet, ergänzt Hauptspielstätte HKW um die Volksbühne.

End to End - der Titel der nächsten transmediale
Kurzinfo: Auch 2020 wird es wieder eine transmediale geben, das letzte Mal unter der künstlerischen Leitung Kristoffer Gansings. Ihm folgt ab 2021 die Kuratorin Nora O Murchú.

Nora O Murchú wird neue künstlerische Leiterin der transmediale
Personalien: Die Kuratorin Nora O Murchú wird ab der Festivalausgabe 2021 die künstlerische Leitung der transmediale übernehmen.

Diesmal mit Gefühl – zum Eröffnungsabend der 32. transmediale
Besprechung: Trotz des Verzichts auf einen Titel bildet „What moves you?“ eine der Schlüsselfragen des diesjährigen Festivals, das sich mit Affekten, Emotionen und Empathie in der digitalen Welt beschäftigt.

Neues zur kommenden transmediale
Die nächste transmediale, die vom 31. Januar bis zum 3. Februar 2019 erneut im Haus der Kulturen der Welt stattfindet, steht zum vorletzten Mal unter der künstlerischen Leitung von Kristoffer Gansing.

Unter der Oberfläche ... – das Ausstellungsprogramm der 31. transmediale
Besprechung: Heute wird im Haus der Kulturen der Welt die 31. Ausgabe der transmediale –festival for art and digital culture eröffnet, die unter dem Titel „face value“ den Verknüpfungen von Kapitalismus und Faschismus im digitalen Zeitalter nachspürt

Infos zur transmediale 2018
Die nächste transmediale, die Ende Januar 2018 stattfinden wird, untersucht unter dem Titel "face value" die politischen, ökonomischen und kulturellen Gräben unserer Gegenwart.

alien matter, die Ausstellung zur transmediale
Ein Kommentar

transmediale 2017
Nächsten Monat ist es soweit: die transmediale feiert unter dem Titel "ever elusive – thirty years of transmediale" vom 2. Februar bis zum 5. März 2017 ihr 30-jähriges Bestehen.

transmediale 2016
Gestern wurde die transmediale 2016 unter dem Motto Conversation Piece im Haus der Kulturen der Welt eröffnet. Erste Eindrücke ...

Infos zur transmediale 2016
Vom 3. bis zum 7. Februar 2016 findet die 29. Ausgabe der transmediale im Haus der Kulturen der Weltstatt. Das Motto lautet Conversation Piece.

top

zur Startseite

Anzeige
aladag Magdeburg

Anzeige
Responsive image

Anzeige
Gulia Groenke

Anzeige
Rubica von Streng

Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
Galerie Johannisthal




Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
Haus am Kleistpark




Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
Galerie im Körnerpark




Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
Galerie Alte Schule im Kulturzentrum Adlershof




Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V.




© 1999 - 2023, art-in-berlin.de Kunstagentur Thomessen Hartlieb-Kühn GbR.