Die Ausstellung „Municipal Kitchens“ in der neuen Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK), einst Filiale der McDonald`s - Kette, zeigt aktivistische Positionen zur Lebensmittelindustrie. Diese Industrie ist allgegenwärtig und so muss Alicja Rogalska für ihren Beitrag „Pretend you`ve Got No Money“ nur wenige Meter gehen: In den Kaufland Laden direkt unter der nGbK. In der Ausstellung hängt ein Foto mit einem QR-Code, der zu einer Audiotour durch das Geschäft einlädt. Die Besuchenden werden in den Kosmos der Produktions-, Distributions- und Konsumpolitik von Lebensmitteln eingeführt. Ähnliches zeigt der Dokumentarfilm „Mad3oum-value in a state of economic crisis“ von Franziska Pierwoss. Mit Hilfe von Interviews berichtet sie über die soziale Rolle von Supermärkten angesichts steigender Preise und eines gnadenlosen Kampfes um Ressourcen.
Mimi Ọnụọhas Videoarbeit mit dem programmatischen Titel „40% of Food in the US is Wasted (How the Hell is That Progress, Man?)“ befasst sich mit dem Glauben an Fortschritt und Gerechtigkeit. Ọnụọhas Kunstgriff ist simpel: Über den viergeteilten Bildschirm wird jede Aussage, jedes Narrativ und jedes Bild gleich vielfach wiederholt und erscheint in der Masse plötzlich verfremdet, geradezu absurd lächerlich. Es ist offenkundig, der Spalt zwischen Produktion und der schlussendlichen Verteilung und Versorgung von Lebensmitteln klafft immer weiter.

Was wäre, wenn es für jeden Menschen auf der Welt jederzeit genug zu essen gäbe? Eine Antwort gibt die Ausstellung zwar nicht, aber der Pessimismus, der angesichts globaler Ungerechtigkeiten, ausbeuterischer Systeme, zunehmender Katastrophen und Hungersnöte schnell aufkommt, wird weitgehend vermieden. Schon von weitem glüht die rot-orangefarbene Textilarbeit „The Route“ von Elia Nurvista. Sie erzählt in großen Stoffbahnen die Geschichte des kolonialen Handels mit Palmöl, seiner weltweiten Auswirkungen und massenhaften Verbreitung. Die Wut über das ausbeuterische System wird offensichtlich. Daneben ist das Kollektiv Myvillages vertreten. Bereits auf der documenta fifteen hatte es ein umfassendes und global agierendes Netzwerk (Lumbung-Netzwerk) für eine solidarische Welt aufgebaut. Nun erweitert es seine Arbeit in Richtung Berlin und zeigt ermutigende Beispiele: Da bauen Menschen Obst, Gemüse und Kräuter für Schorlen und Limonaden an, da sprechen Menschen über eine nachhaltige Landwirtschaft ohne Raubbau und geben Perspektiven raus aus Fängen einer gigantischen Maschinerie rund um den Rohstoff Essen.
Herzstück der Ausstellung ist eine offene Küche und ein großzügiger Essbereich, einst von Another Provision für ein partizipatorisches Projekt in England entworfen. Die Installation nimmt mindestens ein Viertel der gesamten Fläche ein. Belebt wird die offene Küche jede Woche durch Workshops und durch gemeinsames Kochen und Essen. Dann wird die Ausstellung zu einem sozialen Ort, an dem Menschen zusammenkommen und gemeinsam etwas schaffen: eine Erfahrung, ein Grundstoff. Nahrung, ein Abendessen (kuratiert von Cherry Truluck).
Der Raum ist mit organisch geformten Sitz- und Tischflächen in Blau-, Orange- und Gelbtönen möbliert. Sie sind umwunden, verbunden und spielerisch verziert mit Röhren in Spiralform, gerade in die Höhe oder mit weiten Bögen. Der weitläufige Raum erhält so zahlreiche Zwischenräume, intime Ecken und bleibt dabei trotzdem komplett einsehbar, offen und einladend. Die Termine der Kochsessions stehen auf der Website, eine Anmeldung ist nicht erforderlich und das Essen ist kostenlos.
Künstler:innen
Alicja Rogalska, Another Provision, Cherry Truluck, Cocina CoLaboratorio, Elia Nurvista, Franziska Pierwoss, Gatari Surya Kusuma/Åsa Sonjasdotter/Daniela Zambrano Amidón, Johann Arens, Mimi Ọnụọha, Myvillages, Pierogi Princesses
nGbK-Arbeitsgruppe: Alicja Rogalska, Cherry Truluck, Hanna Baumann, Johann Arens, Miriam Lowack
Municipal Kitchens
29.6. – 18.8.24
nGbK
Karl-Liebknecht-Str. 11/13, 10178 Berlin
Eintritt: frei