Raumansicht, The Demon´s Brain von Agnieszka Polska, © kuag

Es war einmal ein König, der hatte drei Töchter. Die sollten ihm sagen, wie viel er ihnen Wert sei. Die erste entgegnete so viel wie Silber, die zweite so viel wie Gold, die dritte gab zur Antwort so viel wie Salz. Der König verstieß die dritte, weil er nicht mit so etwas Banalem verglichen werden wollte. Hat er natürlich zu gegebener Gelegenheit bitterlich bereut.


Raumansicht, The Demon´s Brain von Agnieszka Polska, © kuag

Nicht ganz so märchenhaft wie bei den Gebrüdern Grimm geht es in Agnieszka Polskas Mehrkanal-Videoinstallation "The Demon´s Brain" zu, die aktuell in der historischen Halle des Hamburger Bahnhofs zu sehen ist. Aber Salz spielt auch hier eine Rolle und einen Dämon sowie diverse Fabelwesen gibt es auch.
Zur Geschichte: Ein Bote soll Briefe, die an einen gewissen Mikołaj Serafin, den Verwalter der polnischen Salzbergwerke, gerichtet waren, überbringen. Die real existierenden Briefe stammen aus dem 15. Jahrhundert und informieren über frühkapitalistische Strukturen im Rahmen des zu jener Zeit feudal ausgerichteten, polnischen Königreichs. Der Bote der Schriftstücke und die um ihn herum konstruierte Geschichte sind fiktiv. Auf seinem Weg durch den Wald verliert er sein Pferd und begegnet einem Dämon, der versucht ihn zu trösten und der ihm erzählt vom zukünftigen Niedergang der Salzindustrie sowie den heutigen Zuständen, die das Industriezeitalter mit sich gebracht hat. Dabei erklärt er dem Boten, dass er alles noch ändern könne. Doch am Ende verbrennt der Bote die Briefe. Es geht also um die Frage nach der Verantwortung des Einzelnen und um sein Handeln gegenüber der Gesellschaft.

Der/die Betrachter_in wird in der Videoinstallation mit vier parallel laufenden Filmen in einer Mischung aus Realfilm und Animation konfrontiert: der Bote wird geschauspielert, die Landschaft und ein Blick ins Bergwerk scheinen real, der Dämon und die Tierwesen sind animiert. Jeder einzelne Film erzählt einen eigenen Teil der Geschichte, so spricht mal der Geist, mal wird eine Fahrt durch ein Bergwerk gezeigt oder man sieht den Jungen durch den Wald reiten. Polska findet hierfür eine poetische Bildsprache, die zugleich unser Verhältnis zur historischen Zeit reflektiert.
Trotz Endlosschleife, in der die Filme laufen, ergibt sich in der Synchronisation des Tons, verstärkt durch einen durchdringenden rhythmischen Klang, ein gegenseitiges Kommentieren der Videos und zugleich deren Zusammenhang.


Raumansicht, The Demon´s Brain von Agnieszka Polska, © kuag

Bevor man die ins Dunkle getauchte Halle durch einen Vorhang betritt und später auch wieder verlässt, stößt man auf eine Textwand, auf der sich Auszüge aus den historischen Briefen an Serafin stehen. Außerdem gibt es auf der Wand Auszüge von neueren Texte über Themen der Arbeit, der künstlichen Intelligenz oder Datamining. Die Texte hat Agnieszka Polska eigens für den begleitenden Katalog beauftragt. In einem der Essays von Jan Sowna über die Entwicklung kapitalistischer Strukturen steht zu lesen, dass der englische Begriff salary für Gehalt sich aus dem Wort Salz ableitet und stammt aus einer Zeit als es am wertvollsten war. Womit wir wieder bei der klugen Tochter des Königs wären.

Agnieszka Polska (geboren 1985 in Lublin, lebt in Berlin) erhielt 2017 den Preis der Nationalgalerie, die nominierten waren neben Polska Jumana Manna, Iman Issa und Sol Calero.

Agnieszka Polska: The Demon´s Brain
27.09.2018 – 03.03.2019

Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin
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