Am Wochenende gab es reichlich Kunst zu sehen: In Charlottenburg Wilmersdorf fand der Galerierundgang Charlottenwalk statt, im Tiergarten feierte das HKW seine Wiedereröffnung und in Pankow öffneten über 300 Künstler:innen ihre Ateliers.
Die offenen Ateliers bildeten den Höhepunkt des Kunstfestivals artspring, das den Bezirk seit Anfang Mai mit verschiedenen Veranstaltungsformaten wie Lesungen, Kunstspaziergängen oder dem Filmprogramm artspring Film 23 bereicherte.

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Atelieransicht: Elisabeth Sonneck, Foto: art-in-berlin

artspring fand in diesem Jahr zum siebten Mal statt und stand unter dem Titel „HELL“, der in seiner Doppeldeutigkeit die Möglichkeiten der Kunst in krisengeprägten Zeiten auslotete und gleichzeitig mit der Metapher des Lichts spielte.
Die Öffnung der Künstler:innen-Ateliers bot hingegen allen die Gelegenheit, die Atelierlandschaft des Bezirks aus nächster Nähe kennenzulernen, hinter die Kulissen der Entstehung von Kunstwerken zu blicken und mit den Künstler:innen persönlich ins Gespräch zu kommen. Viele Ateliers befinden sich in den großen Atelierhäusern des Bezirks, viele weitere sind Einzelateliers in Ladenlokalen und Hinterhöfen.
Eine erste mögliche Anlaufstation war die Ateliergemeinschaft Milchhof e.V. in der Schwedter Straße - eine Ateliergemeinschaft, die das alte Schulhaus an der Schwedter Straße nutzt. Hier arbeiten mehr als 30 Künstler:innen. Beim Schlendern durch die Ateliers gab es viel Malerei zu sehen. Der Geruch von Ölfarbe durchzog die Räume und erinnerte an vergangene Zeiten fernab von Multimedia und Künstlicher Intelligenz.

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Julia Brodauf, Silent for Rodeo, Detailansicht, Foto: art-in-berlin

Neben Malerei gab es aber auch Fotografien und Skulpturen wie die großformatigen, in sich gekehrten Tonfiguren von Jan Gottschalk oder kunstvoll keramische Arbeiten von Anne Katrin Stork, die handwerklich überzeugen. Vereinzelt stieß man auch auf Sound- oder Videoarbeiten, wie “Silents for Rodeo” von Julia Brodauf, die übrigens erst kürzlich ihr Atelier in Weißensee durch Gentrifizierung verloren hat.

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Pavillon am Milchhof, Foto: art-in-berlin

Vor dem alten Schulgebäude befindet sich der lichtdurchflutete Projekt- und Ausstellungsraum der Ateliergemeinschaft - der Pavillon am Milchhof. Er funktioniert wie wie ein Schaufenster oder eine Vitrine, deren Innenleben Tag und Nacht sichtbar ist. In der Vergangenheit fanden hier neben Ausstellungen auch soziale Projekte statt, wie die Öffnung des Raumes für Obdachlose. Am Wochenende bespielte die artothek berlin den Raum unter dem Titel “Junge Szene: Neu in Pankow“ mit jungen künstlerischen Positionen. Die ausgestellten Arbeiten konnten gegen eine geringe Gebühr auch gleich ausgeliehen werden. Hier versucht der Milchhof e.V. als Organisator neue Wege zu gehen und ein zeitgemäßes Art-Sharing-Konzept umzusetzen. Dadurch sollen Künstler:innen im Bezirk Pankow gefördert werden. Die Website ermöglicht zudem auch in Zukunft den persönlichen Kontakt zu den Künstler:innen bei der Ausleihe von Kunstwerken.


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Atelier Charlotte Bastian, Foto: art-in-berlin

Weiter ging es in das Atelierhaus “Alte Lederfabrik”, in dem sich 24 Ateliers befinden.
Das Gewerbegrundstück liegt - eingebettet in ein ruhiges Wohngebiet - an der Grenze zwischen Pankow und Weißensee. Leider hatte von den 24 Ateliers nur ein Bruchteil geöffnet, diese haben sich aber umso mehr gelohnt. So präsentierte beispielsweise Charlotte Bastian in ihrem Atelier analog und digital bearbeitete Fotocollagen, zum Teil zweidimensional an der Wand hängend oder als eine Art dreidimensionale “Diashow” in einem Guckkasten. Neben ihrer inhaltlichen Beschäftigung mit von Menschen zerstörten Landschaften setzt sich Bastian hier zugleich spannungsreich mit den unterschiedlichen Medien von Collage und Skulptur auseinander.

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Atelier Ingolf Watzlaw, Foto: art-in-berlin

Auch Ingolf Watzlaw überzeugte mit seiner noch im Entstehungsprozess befindlichen Serie über das Paradies | Der Garten. In dieser Arbeit werden die Grundlagen seines Architekturstudiums als Bestandteil seines bildnerischen Denkens deutlich. Watzlaw entwickelt ein komplexes zeichnerisches Werk aus Kindheitserinnerungen an Wohnumgebungen bis hin zur aktuellen architektonischen Situation. Nicht zu vergessen der botanische Kontext, in den das Ganze eingebettet ist.

artspring berlin wurde 2017 gegründet vor dem Hintergrund der drohenden Verdrängung der Bildenden Künstler:innen aus dem Stadtbezirk. Auch in diesem Jahr erzählten uns zahlreiche Künstler:innen, dass ihre Arbeitsplätze gefährdet sind und zum Teil schon gekündigt worden - ein Grund mehr die Sichtbarkeit von Kunst und Kultur zu stärken. Festivals wie Ortstermin in Moabit, 48 Stunden Neukölln und eben auch artspring zeigen immer wieder wie Synergieeffekte der kulturellen Vielfalt sich positiv im Stadtraum auswirken.