© Aslan Goisum, Foto: Julian Blum

Beim Betreten der Ausstellung Suspect (dt.: „verdächtig“) empfängt uns ein makellos weißer, aufgeräumter Raum. Ein leises Surren liegt in der Luft, während an jeder Wand eine einzelne großformatige Schwarz-Weiß-Fotografie hängt – insgesamt elf Werke. Die Durchgänge zwischen den Räumen sind durch schwere vergitterte Metalltüren getrennt. Der Raum ist kahl, aber vor allem kalt und unwirtlich. Er wirkt größer als gewohnt, jeder Tritt hallt. Sich unterhalten ist keine Option. Der Künstler Aslan Goisum hat einen machtvollen Ort geschaffen, der zum Schweigen zwingt und Unsicherheit erzeugt. Repression ist das Thema.

Responsive image
© Aslan Goisum, Foto: Julian Blum

Auf den meisten Fotos interagieren Menschen in Bomberjacken vor teuren Autos. Die Stimmung ist aufgeladen, aggressiv und spannungsvoll. Passiert gleich was Unerwartetes? Wird im nächsten Moment gelacht oder gekämpft? Kann diese Spannung lange aufrechtgehalten werden, ohne zu eskalieren? Erneut Unsicherheit. Inwieweit steckt bereits in diesem Gefühl Willkür und damit auch Gewalt? Die Fotos von Goisum zeigen keine Explosion, keinen Ausfall, kein Lachen, kein Blut. Sie verharren ruhig in absoluter Stille. Es ist zum Ersticken.

Diese Motive kommen einem bekannt vor. Sie zitieren Gesten und Bilder – dabei ist nicht eindeutig, ob der Alltag diese ´sauberen` Kompositionen per Zufall geformt hat oder ein aufwendiges Setting hinter jedem Bild steckt? Die Fotos sind stark ausgeleuchtet, das Licht ist sehr klar. Kontraste polarisieren tiefes Schwarz und gleißendes Weiß – Grautöne entfallen. Die dargestellten Menschen und Dinge wirken wie auf einer Bühne, wie im Schaukasten. Wir sind Voyeure dieser Szenerien, die bedrohlich wirken und doch entfremdet und fern scheinen. Ein mattglänzender Alurahmen begrenzt das Spektakel, wir dürfen zuschauen.

Responsive image
© Aslan Goisum, Foto: Julian Blum

Über dem zweiten Durchgang mit Metalltüre, die auch das Portal zu einem Gefängnis sein könnte, steht leuchtend in Schreibschrift Psychoanalyse. Das Licht ist kühl, grell. Neonröhren geben ein gleichtöniges Flackern von sich. Erst nach einigen Minuten fällt es auf und wird lauter: die Stille der Besuchenden. Sie wird plastisch, dann ist sie schwer und greifbar geworden. Was hören wir eigentlich?
Wir hören Schritte, leises Flüstern und auch den Projektor der Videoarbeit Prism (2025), die in einem kleinen Separee gleich neben dem Eingang zu sehen ist. In den 36 Sekunden filmt eine Kamera einen liegenden (männlich gelesenen) nackten Körper, die Nahaufnahmen einzelner Körperpartien und die weiche Lichtstimmung wirken sinnlich.
Zugleich schweift die Kamera nicht aus, bleibt fokussiert und verfolgt eine gerade Linie von den Fußspitzen bis zum Ohr. Was sehen wir?

Die Ausstellung Suspect hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Das Setting scheint gewohnt, gerade für den Kunstkontext. Doch durchbricht diese Gewohnheit etwas – womöglich eine Erwartung? Eine Erwartung nach dem ultimativen Erlebnis, dem Schock, der Ekstase?

Kuratorin: Kathrin Becker

Ausstellungsdauer: 23. März – 27. Juli 2025

KINDL – Centre for Contemporary Art
Maschinenhaus M1 + M1 VideoSpace
Am Sudhaus 3, 12053 Berlin
kindl-berlin.com