11-17.30 Uhr: Teil der Ausstellung in der ifa-Galerie "Survival Kit – Between Us and History: The Hidden Archive. Ken Aïcha Sy." Programm s. Website Heckmann-Höfe | 10117 Berlin
Die aquamediale ist ein internationales Festival für zeitgenössische Kunst im Spreewald. In diesem Jahr findet das Kunstfestival zum 16. Mal statt. Wie immer geht es um hochaktuelle Themen unserer Zeit. So lautet das diesjährige Motto biodiversity, das die Auswirkungen einer gestörten Balance zwischen Mensch und Natur thematisiert.
Aus einem Open Call heraus bewarben sich 204 Künstler:innen aus 10 Nationen, 10 wurden für die aquamediale 16 ausgewählt. In Zusammenarbeit mit dem Kurator Harald Larisch sind nun die vor Ort realisierten Kunstwerke im Biosphärenreservat um Lübben zu sehen.
Über die Dauer des Festivals (31. Mai bis 27. September 2025) stellen wir auf art-in-berlin in regelmäßigen Abständen die Künstler:innen in Kurzinterviews vor.
INTERVIEW
Helene Heyder ist Malerin und Grafikerin. Nach ihrem Studium der Neueren Deutschen Philologie und Kunstgeschichte an der TU/FU Berlin studierte sie Malerei und Grafik an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Helene Heyder arbeitet figürlich und abstrakt.
Carola Hartlieb-Kühn: Liebe Helene Heyder, ein Zitat von Ihnen lautet: "In den Stillleben und Interieurs zeigt sich, dass der Grat zwischen Natur und Abstraktion der reizvollste für mich ist.” Trotzdem haben Sie sich im Rahmen der aquamediale 16 dazu entschlossen, Kinder zu porträtieren. Was führte zu diesem Entschluss?
Helene Heyder: Das Wort „trotzdem“ ist hier, denke ich, Fehl am Platz. Die Tatsache, dass porträtiert wird, schließt den Grat zwischen Abstraktion und Natur nicht aus. Zwar bleibe ich beim menschlichen Bildnis, bin von naturalistischer Darstellung jedoch entfernt.
Carola Hartlieb-Kühn: Inwiefern spiegelt sich Ihr Thema “Kindheit” in dem Motto der aquamediale “biodiversity” wider?
Helene Heyder: Kindheit ist ein elementarer Teil allen Lebens. Sie steht für die Sicherung und Weitergabe des Erbes einer jeden Art, für Transformation und Wachstum. Daher hat der Schutz der Nachkommen für alle Wesen absolute Priorität. Von Kindheit an beginnt der Mensch teilzunehmen am Konzert der Vielen, als Teil des Ganzen.
Carola Hartlieb-Kühn: Ihre Kinderporträts beziehen sich auf Menschen, denen Sie im Spreewald begegnet sind. Haben Sie die Kinder aus der Erinnerung heraus gezeichnet oder standen sie Ihnen Modell?
Helene Heyder: Es war mir wichtig, Kinder aus Lübben zu zeichnen, da die aquamediale ja hier stattfindet. Ich habe die Kinder vorher vor Ort fotografiert und dann im Atelier die Zeichnungen gemacht. Es geht aber nicht um genaue Übertragung. Ein Blick, ein Gesichtszug oder eine Fußstellung interessieren mich, da sie ganz persönlich sind. Individualität und Vielfalt bedingen einander.
Carola Hartlieb-Kühn: Wie haben Sie den Kindern Ihr Projekt erklärt?
Helene Heyder: Ich habe ihnen gar nichts erklärt. Ich wollte die kleinen Menschen so unverfälscht wie möglich haben in ihren kindlichen Gedanken, Ängsten und Freuden, was sich ja in ihrer Aura widerspiegelt.
Carola Hartlieb-Kühn: Sie hatten zunächst vor, Packpapier als Bildträger zu verwenden, womit eine spezifische Materialität und Farbigkeit einhergeht. Welche Rolle spielt das Haptische für Sie?
Helene Heyder: Die Packpapier-Variante habe ich nicht realisiert, obwohl ich diese Farbigkeit sehr mag. Aber die Kombination mit Plexiglas und Einrahmung hätte zu sehr einen Galeriecharakter gehabt. Stattdessen zeichne ich nun mit Holzkohle auf Holztafeln. Das passt besser zum Thema und verbindet das Werk mit der umgebenden Natur. Ansonsten spielt Haptik keine vordergründige Rolle für mich. Ich versuche, Stofflichkeiten künstlerisch zu erzeugen.
Carola Hartlieb-Kühn: Die überlebensgroßen, frontal ausgerichteten Kinderporträts erzeugen eine unmittelbare Konfrontation zwischen Werk und Betrachtenden. Was steckt hinter dieser Inszenierung?
Helene Heyder: Die frontal dargestellten riesenhaften Kinder konfrontieren den Betrachter mit seiner eigenen Vergangenheit. Die Kinder sind größer als Erwachsene, es gibt also im Augenblick des Betrachtens eine Kräfteverschiebung: die Attribute der Kindheit wie Entwicklung oder Neugier und das erforschende, fantasievolle Interagieren mit unseren Mitwesen (ob bebeint, beflügelt oder begrünt) oder an was sich der Betrachter in seiner eigenen Geschichte auch erinnert, sind für einen Moment bedeutsamer als ein „Heraus-) erwachsener. Die Kohlezeichnungen sind eine Einladung, mal zurück zu wachsen und weniger zu wissen und mehr zu sehen.
Carola Hartlieb-Kühn: In Ihrer Darstellung von Kindern manifestiert sich eine bewusste Entscheidung gegen die Darstellung Erwachsener. Welcher gesellschaftliche Bezugsrahmen prägt Ihre Faszination für das Kind als Sujet?
Helene Heyder: Ja, ich habe mich künstlerisch in den letzten Jahren zu Kindern und Tieren hingezogen gefühlt. Erwachsene sind mir bisweilen zu eitel und enttäuschend. Ich betrachte diese kleinen Wesen aus einer Distanz, doch mit Interesse. Dabei zeige ich nicht das fröhliche, witzige Kind, sondern melancholische, kindhafte Riesen. Die Melancholie kommt natürlich auch durch mich, die Art und Weise der Darstellung resultiert aus einer Symbiose zwischen Modell und Künstler.
Carola Hartlieb-Kühn: Sie beschreiben Ihre Arbeiten als ein „Spiel mit Entfremdung“ und zugleich als ein „Zeichen der Würde“?
Helene Heyder: Das „Spiel mit Entfremdung“ bedeutet letztlich das Sinnbild und nicht das Abbild als künstlerischer Schwerpunkt. Die Entfremdung bei den Kinderzeichnungen besteht in der überlebensgroßen Darstellung und in der Aura, der Art und Weise, wie die Dargestellten auf den Betrachter schauen. Das hat schon etwas Bedrohliches.
Die Überhöhung der Kinder, also die überlebensgroße Darstellung hat auch mit Würde zu tun – die Würde des Kindes ist unantastbar. Egal ob aus prekärem Verhältnis, ob frech oder Überflieger. Wer sie nicht schützt, sollte sich aus dem Konzert der Vielfalt verabschieden.
Carola Hartlieb-Kühn: Könnten Sie zum Schluss noch etwas über das Konzept rund um die Aufstellung der Bilder im Spreewald sagen?
Helene Heyder: Die Zeichnungen werden am Uferrand zwischen Kanal und Schlossinsel aufgestellt. Umgeben von Gesträuch und Bäumen blicken sie zum Kanal und auf die in den Kähnen sitzenden Menschen. Sie sind ja noch nicht aufgestellt, aber ich stelle mir die Szenerie als schweigsames Ensemble vor: Den Rhythmus geben die Baumstämme vor, den Takt die Blätterbewegungen des Windes und die riesenhaften Schauspieler betreten die Bühne. Die Integration in den Natur-Kontext ist sehr reizvoll und für die aquamediale thematisch relevant - wir sind Teil der Natur, das sollten wir nie vergessen.
Titel zum Thema aquamediale 16:
aquamediale 16: Interview mit Davide Tagliabue
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16: Interview mit Bernhard Schurian
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16: Interview mit Nicole Schuck
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16: Interview mit Anna Mrzyglod
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16: Interview mit Gunhild Kreuzer
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16: Interview mit Andrea J Grote
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16: Interview mit Jahna Dahms
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16: Interview mit Christopher Dahm
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16 (31. Mai bis 27. September 2025)
Heute startet die 16. aquamediale – das Festival für zeitgenössische Kunst im Spreewald. Über den Sommer stellen wir die teilnehmenden Künstler:innen im Interview vor. Wir beginnen mit dem peruanischen Künstler Samuel Chambi.
aquamediale 16: Interview mit Helene Heyder
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
Alfred Ehrhardt Stiftung
neue Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK)
GEDOK-Berlin e.V.
Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin
Kommunale Galerie Berlin