11-17.30 Uhr: Teil der Ausstellung in der ifa-Galerie "Survival Kit – Between Us and History: The Hidden Archive. Ken Aïcha Sy." Programm s. Website Heckmann-Höfe | 10117 Berlin
Die aquamediale ist ein internationales Festival für zeitgenössische Kunst im Spreewald. In diesem Jahr findet das Kunstfestival zum 16. Mal statt. Wie immer geht es um hochaktuelle Themen unserer Zeit. So lautet das diesjährige Motto biodiversity, das die Auswirkungen einer gestörten Balance zwischen Mensch und Natur thematisiert.
Aus einem Open Call heraus bewarben sich 204 Künstler:innen aus 10 Nationen, 10 wurden für die aquamediale 16 ausgewählt. In Zusammenarbeit mit dem Kurator Harald Larisch sind nun die vor Ort realisierten Kunstwerke im Biosphärenreservat um Lübben zu sehen.
Über die Dauer des Festivals (31. Mai bis 27. September 2025) stellen wir auf art-in-berlin in regelmäßigen Abständen die Künstler:innen in Kurzinterviews vor.
INTERVIEW
Samuel Chambi hat Fotografie am Centro de la Imagen in Lima, Peru, studiert. Seine künstlerische Praxis konzentriert sich auf die Fotografie und untersucht insbesondere die Spannungen zwischen zeitgenössischen Diskursen der fotografischen Produktion.
Carola Hartlieb-Kühn: Sowohl rund um den Río Rímac in Lima/Peru als auch im Gebiet des Spreewalds leben die Menschen in enger Verbindung mit der Natur und dem Wasser – was sich in Bauweisen, Lebensformen und Mythen zeigt. War das für Sie der Grund, die Arbeit „Rimac: Fragmente des sprechenden Flusses“ hier im Spreewald zu zeigen?
Samuel Chambi: Ja, als ich vom Konzept der aquamediale erfuhr, sah ich sofort Parallelen in der Art wie sich die Gemeinschaften sowohl im Spreewald als auch am Río Rímac tief mit dem Wasser identifizieren. Ich wollte einen Kontrast zwischen zwei unterschiedlichen Realitäten aufzeigen: wie sich die Bewohner:innen – Menschen wie auch nichtmenschliche Wesen – mit einer lebenswichtigen Wasserquelle in Beziehung stehen.
Carola Hartlieb-Kühn: In der Arbeit verwandeln Sie den Fluss in eine Art visuelle Erzählung über Brüche, Widerstand und Transformation. Was hat Sie dazu bewegt, den Río Rímac in den Mittelpunkt Ihrer Arbeit zu stellen?
Samuel Chambi: Ich glaube, dass Kunst immer auch ein Stück Autobiografie ist. In gewisser Weise sprechen wir immer über uns selbst oder über unser Leben. Dieses Projekt bildet dabei keine Ausnahme: Auch wenn es als ein Werk von nationalem Interesse gelesen werden kann – besonders für Peruanerinnen und Peruaner – entspringt es zugleich einer engen, persönlichen Verbindung. Ich bin einer der vielen Bewohner des Flusses. Über dreißig Jahre lang überquerte ich eine Brücke über den Río Rímac, um nach Hause zu kommen, und wurde Zeuge seiner Veränderung und seiner Widerstandskraft.
Carola Hartlieb-Kühn: Sie bezeichnen die Arbeit als ein „Archiv von Fragmenten“, in dem das Geografische mit dem Sozialen verwoben ist. Könnten Sie das näher erläutern?
Samuel Chambi: Eine der Möglichkeiten, Fotografie zu verstehen, ist als Schnitt und als Fragment der Zeit, die wir gewöhnlich als linear wahrnehmen. Dieses Projekt ist in gewisser Weise eine Analogie zu diesem Akt, nur dass hier nicht die Zeit fragmentiert wird, sondern der Verlauf des Flusses. Was wir zeigen, ist keine Gesamtheit, sondern ein Abschnitt, ein Stück dieser Bewegung, das betrachtet, analysiert und befragt werden kann. Ein Archiv von Fragmenten, das sowohl den Fluss als auch die Unterbrechung sichtbar macht.
Carola Hartlieb-Kühn: Als Künstler beleuchten Sie auch die Machtstrukturen hinter dem fotografischen Akt. Inwiefern verstehen Sie Fotografie als ein politisches Werkzeug?
Samuel Chambi: Ich glaube, dass der fotografische Akt - wie jede künstlerische Ausdrucksform - immer bis zu einem gewissen Grad politisch ist. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass er auch als politisches Instrument dient. Aufgrund ihrer Abbildhaftigkeit und ihrer engen Verbindung mit dem Dokumentarischen sowie der Illusion des Realen wurde die Fotografie oft politisch genutzt – im positiven wie im negativen Sinne. In meiner Arbeit vermeide ich das explizit Politische, aber es interessiert mich, das Politische auf subtile Weise einzuschleusen – dosiert und fast unmerklich.
Carola Hartlieb-Kühn: In Ihren Fotografien steht der Rímac nicht nur als geografisches, sondern auch als soziales und ökologisches Sinnbild. Sehen Sie Ihre Arbeit auch als Kommentar zur gegenwärtigen Lage in Peru?
Samuel Chambi: Peru und insbesondere Lima – eine Stadt, die auf einem Wüstengebiet erbaut wurde – leidet unter akutem Wassermangel. Doch es geht nicht nur um den Mangel an Ressourcen, sondern auch um das Fehlen einer Umweltkultur, eines Bewusstseins für die Erhaltung und Pflege unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Es scheint paradox, dass der Río Rímac, die wichtigste Wasserquelle der Stadt, gleichzeitig einer der am stärksten verschmutzten Flüsse des Landes ist.
Carola Hartlieb-Kühn: Sie arbeiten mit einer Panoramakamera, was einen sehr bewussten fotografischen Prozess (mehr über den Entstehungsprozess, siehe Video) erfordert. Welche Rolle spielt diese technische Entscheidung für das Format in Ihrer künstlerischen Aussage?
Samuel Chambi: Das gesamte Projekt wurde mit einer Mittelformat-Panoramakamera fotografiert – der Linhof 617s, die interessanterweise in Deutschland hergestellt wird. Sie war die perfekte Kamera für dieses Projekt, nicht nur weil sie hauptsächlich für Landschaftsaufnahmen konzipiert wurde, sondern auch, weil sie es mir ermöglichte, den Fluss und gleichzeitig auch seinen Kontext abzubilden: die Räume, die ihn umgeben, die Ränder, an denen er entlang fließt, und die Spuren des Lebens, die ihn begleiten. Die technische Entscheidung steht ganz im Dienst der visuellen Erzählung.
Carola Hartlieb-Kühn: Der dokumentarische Charakter Ihrer Arbeit wird durch künstlerische Eingriffe gebrochen. Wo verläuft für Sie die Grenze zwischen Beobachtung und Gestaltung?
Samuel Chambi: Fotografie ist für mich immer sowohl Beobachtung als auch Gestaltung. In manchen Projekten tritt der eine Aspekt stärker hervor als der andere. Ich denke nicht, dass es eine klare Grenze zwischen den beiden gibt – es ist eher eine Frage der Gewichtung. Beide Elemente existieren gleichzeitig, und ihr Gleichgewicht hängt von der jeweiligen Arbeit ab. Manchmal steht das Beobachten im Vordergrund, manchmal das Eingreifen – aber beides ist Teil desselben kreativen Aktes.
Carola Hartlieb-Kühn: Sie laden die Betrachterinnen und Betrachter dazu ein, den Fluss visuell zu durchqueren. Was erwarten oder erhoffen Sie sich von dieser aktiven Auseinandersetzung mit Ihren Bildern?
Samuel Chambi: Man kann dieses Projekt auf zwei Arten betrachten kann. Einerseits linear – dem Verlauf des Flusses durch die Stadt folgend, fast wie eine chronologische Erzählung. Andererseits horizontal – vom Zentrum zu den Rändern: der Fluss im Verhältnis zu seiner Umgebung, in ständiger Spannung. Ein Fluss, der zuweilen willkommen geheißen und dann wiederum misshandelt, ignoriert oder verschmutzt wird.
Titel zum Thema aquamediale 16:
aquamediale 16: Interview mit Davide Tagliabue
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16: Interview mit Bernhard Schurian
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16: Interview mit Nicole Schuck
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16: Interview mit Anna Mrzyglod
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16: Interview mit Gunhild Kreuzer
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16: Interview mit Andrea J Grote
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16: Interview mit Jahna Dahms
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16: Interview mit Christopher Dahm
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16 (31. Mai bis 27. September 2025)
Heute startet die 16. aquamediale – das Festival für zeitgenössische Kunst im Spreewald. Über den Sommer stellen wir die teilnehmenden Künstler:innen im Interview vor. Wir beginnen mit dem peruanischen Künstler Samuel Chambi.
aquamediale 16: Interview mit Helene Heyder
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
neue Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK)
Deutscher Künstlerbund e.V.
GEDOK-Berlin e.V.
neurotitan
a|e Galerie - Fotografie und zeitgenössische Kunst