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aquamediale 16: Interview mit Davide Tagliabue

von art-in-berlin (25.09.2025)


aquamediale 16: Interview mit Davide Tagliabue

Ausstellungsansicht: Davide Tagliabue, the hidden rules of live, © FRAMERATE MEDIA / Stefan Otto

Die aquamediale ist ein internationales Festival für zeitgenössische Kunst im Spreewald. In diesem Jahr findet das Kunstfestival zum 16. Mal statt. Wie immer geht es um hochaktuelle Themen unserer Zeit. So lautet das diesjährige Motto biodiversity, das die Auswirkungen einer gestörten Balance zwischen Mensch und Natur thematisiert.
Aus einem Open Call heraus bewarben sich 204 Künstler:innen aus 10 Nationen, 10 wurden für die aquamediale 16 ausgewählt. In Zusammenarbeit mit dem Kurator Harald Larisch sind nun die vor Ort realisierten Kunstwerke im Biosphärenreservat um Lübben zu sehen.
Über die Dauer des Festivals (31. Mai bis 27. September 2025) stellen wir auf art-in-berlin in regelmäßigen Abständen die Künstler:innen in Kurzinterviews vor.


INTERVIEW

Davide Tagliabue, bekannt unter dem Namen Metrocubo, ist Künstler und Gestalter. In seinen Arbeiten untersucht er die Beziehung zwischen Mensch und Raum – durch ephemere Architekturen, Land Art und skulpturale Interventionen.

Carola Hartlieb-Kühn: Lieber Davide Tagliabue Ihre Installation „the hidden rules of live“ thematisiert Biodiversität – ein Feld, das in der Kunst zunehmend als Spiegel ökologischer wie ästhetischer Fragestellungen dient. Welche Aspekte dieses vielschichtigen Themas wollten Sie durch Ihre Arbeit beleuchten?

Davide Tagliabue: Die Installation hebt die Komplexität und Vernetzung von Lebensformen hervor und betont die oft unsichtbaren Verbindungen, die alle Elemente der Realität miteinander vereinen. Sie lädt zum Nachdenken über die biologische Vielfalt nicht nur als wissenschaftliches Phänomen ein, sondern auch als ein sich wandelndes Konzept, das vom menschlichen Intellekt und einem „kreativen Bewusstsein“ geprägt ist, das in der Lage ist, Verbindungen wahrzunehmen, die häufig übersehen werden. Durch wechselnde Perspektiven soll die verborgene Ordnung aufgedeckt werden, die dem scheinbaren Chaos der Welt zugrunde liegt.

Carola Hartlieb-Kühn: Wie ist die Installation aufgebaut?

Davide Tagliabue: Die Arbeit hat eine dreidimensionale Struktur, die aus bunten "Tetris" - ähnlichen Elementen - aufgehängt an Metallstäben in unterschiedlichen Höhen - besteht. Jedes Element ist aus bemalten hölzernen "Kisten" zusammengestzt und schwebt im Raum. Es ruft Assoziationen hervor, die von vergrößerten Mikroorganismen bis hin zu einer einfachen Zeichnung in der Landschaft reichen. Die rote Farbe erscheint in der Umgebung "fremd", ein Moment, den es zu entdecken gilt.

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Ausstellungsansicht: Davide Tagliabue, the hidden rules of live, © FRAMERATE MEDIA / Stefan Otto

Carola Hartlieb-Kühn: Der Begriff der Anamorphosen spielt in Ihrem Werk eine besondere Rolle. Könnten Sie den Begriff in Bezug auf Ihr Werk nochmals erläutern?

Davide Tagliabue: Die Anamorphose wird als Mittel eingesetzt und lädt die Betrachtenden auf eine Entdeckungsreise ein. Aus verschiedenen Blickwinkeln erscheint die Installation fragmentiert und chaotisch, doch aus einer bestimmten Perspektive offenbart sie ein verborgenes Raster - eine visuelle Ordnung, die sich über die Landschaft legt. Diese Technik symbolisiert, wie ein Wechsel der Sichtweise tiefere Bedeutungsebenen freilegen kann, und spiegelt die schwer fassbare und vielschichtige Natur der Biodiversität selbst wider.

Carola Hartlieb-Kühn: Ihre Arbeit fordert die Betrachter*innen dazu auf, sich physisch zu bewegen, Perspektiven zu wechseln. Ist diese performative Dimension als Teil eines erkenntnistheoretischen Prozesses zu verstehen?

Davide Tagliabue: Ja, absolut. Die körperliche Bewegung, die notwendig ist, um den "richtigen" Standpunkt zu finden, spiegelt eine innere Reise des Verstehens wider. Sie verwandelt die Beobachtung in einen aktiven Prozess und legt nahe, dass Wissen - insbesondere über komplexe Systeme wie die biologische Vielfalt - wechselnde Perspektiven und die Bereitschaft erfordert, statische Standpunkte in Frage zu stellen.

Carola Hartlieb-Kühn: Zwischen visueller Täuschung und tiefer Symbolik: Wo verorten Sie Ihre Arbeit im Spannungsfeld von sinnlicher Wahrnehmung und spiritueller Reflexion?

Davide Tagliabue: Die Arbeit bewegt sich bewusst im Raum zwischen sinnlicher Erfahrung und philosophischer Reflexion. Während es die Betrachtenden durch visuelles Spiel und Illusion anspricht, weist es gleichzeitig auf eine tiefere Kontemplation der verborgenen Strukturen hin, die das Leben bestimmen, und fördert ein Bewusstsein, das über das Sichtbare hinausgeht und die spirituelle Verbundenheit aller Dinge berührt.

Carola Hartlieb-Kühn: In Ihrem Konzept sprechen Sie vom „kreativen Bewusstsein“ als einer Instanz, die Zusammenhänge erkennt, auch wenn sie oft übersehen werden. Inwiefern verstehen Sie Kunst als eine Form dieses Bewusstseins?

Davide Tagliabue: Für mich ist Kunst ein unmittelbarer Ausdruck des schöpferischen Bewusstseins. Sie fungiert als Brücke zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren und bietet andere Möglichkeiten, die komplizierten Netzwerke, die die Welt zusammenhalten, wahrzunehmen. Kunst fördert die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen, die jenseits des Unmittelbaren oder Offensichtlichen liegen. Es geht darum, die tiefere Einheit zu verstehen, die allen Phänomenen zugrunde liegt.

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Ausstellungsansicht: Davide Tagliabue, the hidden rules of live, © FRAMERATE MEDIA / Stefan Otto

Carola Hartlieb-Kühn: Die Idee einer „verborgenen Ordnung“ im Chaos erinnert an naturphilosophische Konzepte. Sehen Sie Ihre Installation als visuelle Metapher für ein kosmisches Prinzip?

Davide Tagliabue: In gewisser Weise, ja. Die Installation reflektiert die Idee, dass Komplexität und scheinbares Chaos, wenn sie aus der richtigen Perspektive betrachtet werden, inhärente Muster und Strukturen offenbaren. Aber sie geht noch weiter: Sie deutet an, dass der Akt des Beobachtens nicht neutral ist. Inspiriert von den Prinzipien der Quantenphysik, nach denen die Beobachtung selbst das Verhalten der Materie verändern kann, verweist das Werk auf ein "kreatives Bewusstsein" hin, das jedem innewohnt. Indem wir nach verborgenen Regeln suchen, die das Leben bestimmen, entdecken wir nicht nur Muster, sondern wir nehmen an ihrer Entfaltung teil. In diesem Sinne wird die Installation zu einer Metapher für ein kosmisches Prinzip, bei dem Beobachter:innen und das Beobachtete zutiefst miteinander verbunden sind und in dem Erkundung und Bewusstwerdung selbst ein Akt der Schöpfung sind. Indem wir verborgene Strukturen der Welt um uns herum aufdecken, formen und definieren wir gleichzeitig unser eigenes Wesen neu.

Carola Hartlieb-Kühn: Was wünschen Sie sich, dass die Besucher*innen nach dem Erleben der Installation mitnehmen – auf intellektueller, emotionaler und spiritueller Ebene??

Davide Tagliabue: Intellektuell hoffe ich, dass sie über die fragile Komplexität und die verborgenen Systeme, die das Leben formen, nachdenken. Emotional möchte ich ein Gefühl des Staunens und der Neugier über die Vernetzung der Welt wecken. Spirituell geht es mir um ein tieferes Bewusstsein für die unsichtbaren Fäden, die alles Sein wecken und zu einer inneren Reise anregen, die parallel zur physischen Bewegung durch den Raum verläuft.

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