11-17.30 Uhr: Teil der Ausstellung in der ifa-Galerie "Survival Kit – Between Us and History: The Hidden Archive. Ken Aïcha Sy." Programm s. Website Heckmann-Höfe | 10117 Berlin
Die aquamediale ist ein internationales Festival für zeitgenössische Kunst im Spreewald. In diesem Jahr findet das Kunstfestival zum 16. Mal statt. Wie immer geht es um hochaktuelle Themen unserer Zeit. So lautet das diesjährige Motto biodiversity, das die Auswirkungen einer gestörten Balance zwischen Mensch und Natur thematisiert.
Aus einem Open Call heraus bewarben sich 204 Künstler:innen aus 10 Nationen, 10 wurden für die aquamediale 16 ausgewählt. In Zusammenarbeit mit dem Kurator Harald Larisch sind nun die vor Ort realisierten Kunstwerke im Biosphärenreservat um Lübben zu sehen.
Über die Dauer des Festivals (31. Mai bis 27. September 2025) stellen wir auf art-in-berlin in regelmäßigen Abständen die Künstler:innen in Kurzinterviews vor.
INTERVIEW
Bernhard Schurian ist Fotograf, visueller Künstler und arbeitet seit 25 Jahren im wissenschaftlichen Kontext.
Carola Hartlieb-Kühn: Lieber Bernhard Schurian, ein Schwerpunkt Ihrer künstlerischen Arbeit liegt auf Insekten. Welches Insekt haben Sie für die aquamediale gewählt – und warum?
Bernhard Schurian: Insekten sind ein faszinierendes Sujet, das in der Kunst lange Zeit nur marginal wahrgenommen wurde. Dem Thema der aquamediale 2025 „biodiversity – Alles ist mit Allem verknüpft“ folgend, ist die ungeheure Vielfalt der Insekten wie ein Kaleidoskop, in dem sich die Komplexität des Themas aufzeigen lässt. Für meinen Beitrag erschienen mir im Kontext der lokalen Insektenfauna im Spreewald Mücken bzw. Moskitos die „spürbarsten“ Vertreter zu sein, um dies künstlerisch umzusetzen. Daher auch der Titel meiner Arbeit:„Aderlaß“ Sie sind unbeliebt, aber essentieller
Teil der Biodiversität. Und sie haben direkten Kontakt zu den Besuchern: Sie stechen zu! Was jedoch von der einen Seite als lästig empfunden wird, sieht aus dem Blickwinkel der Mücke ganz anders aus: Oder würden Sie, wenn Sie fliegen könnten, still am Rand des Fließes sitzen, wenn ein Kahn mit Kirschtorten und Sahnehäppchen vorbeifährt?
Carola Hartlieb-Kühn: Es gibt unzählige Insektenarten. Interessieren Sie sich generell für alle Gruppen – wie Käfer, Schmetterlinge oder Hautflügler – oder konzentrieren Sie sich in Ihrer Fotografie auf bestimmte Arten?
Bernhard Schurian: Mein Interesse gilt allen Insekten und auch ihren Verwandten. Meine „Einstiegsdroge“ bei den Insekten waren die Raubfliegen (robber flies, Assilidae): Jäger mit Helikopteraugen, die andere Insekten im Flug fangen und sie aussaugen (also verspeisen). Wahre Meisterinnen! Momentan interessieren mich besonders Zikaden, die sehr skulptural daherkommen und faszinierende (Über)Lebensmechanismen entwickelt haben. Aber auch Schmetterlinge, die ich in einem aktuellen Projekt im Flug fotografiere.
Carola Hartlieb-Kühn: Auffällig an Ihren Insektenporträts ist, dass sie fast glamourös wirken. Dazu tragen natürlich der dunkle Hintergrund, die auffällige Farbigkeit der Insekten und die Größe der Bilder bei. Was ist der Beweggrund dieser Inszenierung?
Bernhard Schurian: Die Welt des Kleinen war uns lange verschlossen oder nur Spezialistinnen zugänglich. Wer schon einmal ein Insekt in seiner ganzen Schönheit unter dem Binokular gesehen hat, verspürt unweigerlich Lust auf mehr. In der Fotografie haben bahnbrechende technische Möglichkeiten eine Tür geöffnet, die den Zugang zum Kleinen und Kleinsten für alle ermöglicht. Mein Interesse stellt die Sehgewohnheiten insofern in Frage, als plötzlich das Kleine ganz groß wird: Das Insekt auf Augenhöhe. Für mich spielen intensive Farben schon lange eine Rolle – vielleicht ist das biografisch bedingt – ich bin in den Tropen aufgewachsen.
Und Insekten haben intensive Farben. In der Natur noch mehr als die Exemplare in Sammlungen. Es ist also naheliegend, sie ein bisschen wie die „Stars of Hollywood“ zu inszenieren, also tatsächlich etwas „glamourös“. In diesem Zusammenhang interessieren mich auch die Porträts der Renaissance, die erstmals das Individuum in den Mittelpunkt stellten und denen ich formale Aspekte entleihe.
Carola Hartlieb-Kühn: Sie bezeichnen Ihre Bilder als Porträts. Würden Sie so weit gehen zu sagen, dass es zwischen den Insekten „individuelle“ Unterschiede gibt?
Bernhard Schurian: Da bei mir ein großer zeitlicher Aufwand in die Betrachtung einzelner Insekten fließt, habe ich visuell durchaus Unterschiede zwischen den einzelnen Individuen wahrgenommen. Und solche individuellen Unterschiede sind längst auch Thema wissenschaftlicher Untersuchungen: Hier gibt es also auch eine
Verbindung im Sinne einer künstlerischen Forschung. Bei diesem Projekt spielt aber auch die Qualität der Präparation eine Rolle. Kein präpariertes Insekt gleicht dem anderen und das Anthropomorphe, die „Haltung“ spielt eine Rolle.
Carola Hartlieb-Kühn: Könnten Sie uns noch etwas über die Aufnahmetechnik sagen, die Sie aktuell verwenden?
Bernhard Schurian: Ich benutze handelsübliche Kameras im Mittelformat-Bereich und spezielle Hochleistungsobjektive sowie „Foto-Stacking“, da sich ein Objekt im Makrobereich nicht in einem einzelnen Foto in ganzer Schärfe abbilden lässt. Beim „Foto-Stacking“ macht man viele Fotos mit leicht verschobener Schärfeebene und setzt mit entsprechender Software das Ganze als „von Vorn bis Hinten“ scharf zusammen.
Carola Hartlieb-Kühn: Sie weisen darauf hin, dass sich Insekten nicht an Landesgrenzen orientieren. Ebenso wenig macht Biodiversität vor Mauern Halt. Lassen sich Ihre Arbeiten in diesem Sinne auch als Statement zur aktuellen Diskussion über Grenzen, Migration und globale Zusammenhänge verstehen?
Bernhard Schurian: Die Interpretation möchte ich den Betrachterinnen überlassen. Aber so viel sei gesagt: Alle abgebildeten Mücken sind „Eingeborene“, sogenannte Wald- und Wiesenmücken. Die gefürchtete „Tigermücke“ ist noch nicht im Spreewald angekommen. Und das mitschwingende Thema ist eher der Klimawandel. Aber selbst der spielt ja bei den von Ihnen genannten Themen eine Rolle. Es geht mehr um eine Perspektivverschiebung, und gewohnte Denkschemata kann man auch mit Humor in Frage stellen.
Carola Hartlieb-Kühn: Angesichts des aktuellen Insektensterbens – etwa durch Klimawandel und intensive Landwirtschaft – könnte man Ihre Bilder auch als visuelle Archive oder Mahnmale lesen. Sehen Sie Ihre Arbeit auch als eine Form von Bewahrung?
Bernhard Schurian: Das würde ich eher verneinen. Museen können Archive des Lebendigen sein. Bilder haben mit der Wahrnehmung der Welt zu tun. Und sie „bewahren“ nicht – zumindest meine Arbeiten tun dies nicht. Bilder sollen eher etwas Nicht-Benennbares anregen – vielleicht wie Atome, die durch elektrische Ladung in Schwingung versetzt werden und Licht auszusenden beginnen. Aber viele dieser Tiere sind schon verschwunden oder werden es in naher Zukunft sein.
Carola Hartlieb-Kühn: Mit Ihren Arbeiten für die aquamediale bewegen Sie sich im Grenzbereich zwischen Naturwissenschaft und Kunst. Welche Rolle spielt die Tradition naturkundlicher Sammlungen – etwa in Museen – für Ihre künstlerische Konzeption?
Bernhard Schurian: Naturkundliche Sammlungen waren der Ausgangspunkt dieses Projekts. Sie bieten einen fantastischen Einblick in das, was in der Natur häufig versteckt oder nicht sichtbar ist. Aber natürlich tragen sie auch den ganzen zwiespältigen Kontext des Sammelns. Ich bewege mich seit 25 Jahren im Grenzbereich zwischen diesen beiden Disziplinen und empfinde mehr Verwandtschaft als Trennendes zwischen ihnen – oder anders gesagt: gegenseitige Befruchtung ist möglich.
Carola Hartlieb-Kühn: Handelt es sich bei den Insekten auf Ihren Bildern häufig – oder sogar ausschließlich – um Präparate aus naturkundlichen Sammlungen? Und spielt ihre Geschichte oder Herkunft eine Rolle für Ihre künstlerische Arbeit?
Bernhard Schurian: Nicht alle von mir fotografierten Insekten sind aus naturkundlichen Sammlungen. Die im Spreewald gezeigten Tiere stammen aus dem Forschungsprojekt Mückenatlas das mich hier großzügig unterstützt hat. Die Herkunft der Insekten könnte ein weiteres Projekt generieren. Dort würde ich dann aber die Herkunft und den Sammlungskontext in den Vordergrund stellen. Ich nehme das mal als Anregung mit – Danke.
Titel zum Thema aquamediale 16:
aquamediale 16: Interview mit Davide Tagliabue
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16: Interview mit Bernhard Schurian
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16: Interview mit Nicole Schuck
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16: Interview mit Anna Mrzyglod
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16: Interview mit Gunhild Kreuzer
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16: Interview mit Andrea J Grote
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16: Interview mit Jahna Dahms
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16: Interview mit Christopher Dahm
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
aquamediale 16 (31. Mai bis 27. September 2025)
Heute startet die 16. aquamediale – das Festival für zeitgenössische Kunst im Spreewald. Über den Sommer stellen wir die teilnehmenden Künstler:innen im Interview vor. Wir beginnen mit dem peruanischen Künstler Samuel Chambi.
aquamediale 16: Interview mit Helene Heyder
Eine Interviewreihe mit den Künstler:innen der aquamediale 16, dem Kunstfestival im Spreewald.
Verein Berliner Künstler
Haus am Lützowplatz
Deutscher Künstlerbund e.V.
Galerie im Saalbau
neue Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK)