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19 Uhr: eine Performance, konzipiert und präsentiert von Katrina E. Bastian. Uferstudios_Studio 1 | Uferstr. 8/23 | 13357 Berlin

Abfallprodukte der Liebe - Elfi Mikesch, Rosa von Praunheim, Werner Schroeter

von Daniela Kloock (08.08.2018)
vorher Abb. Abfallprodukte der Liebe - Elfi Mikesch, Rosa von Praunheim, Werner Schroeter

Filmstill aus Männerfreundschaften - Homoerotik in der Goethezeit (2018) von Rosa von Praunheim
Matthias Luckey als Goethe, © Rosa von Praunheim


Freundschaften sind Komplizenschaften. Man teilt etwas Gemeinsames, Vorlieben und Abneigungen. Aber Freundschaften sind auch unberechenbar, turbulent und wechselhaft. Wenn sich drei Menschen über Jahrzehnte, über Höhen und Tiefen, über Liebes- und Konkurrenzbeziehungen hinweg zugeneigt bleiben, das ist schon etwas sehr besonderes. Die Ausstellung der Akademie der Künste „Abfallprodukte der Liebe“ dokumentiert die Geschichte einer Freundschaft zwischen den Filmregisseuren Elfi Mikesch, Werner Schroeter und Rosa von Praunheim. Der Titel bezieht sich dabei auf Werner Schroeters „Poussières d´amour“(1996), ein Film über das Entstehen und die Vergänglichkeit der Kunst.

Die fünf Ausstellungsräume ermöglichen einige Einblicke in das Filmschaffen, zeigen Verbindungslinien, machen aber auch deutlich, in welche unterschiedlichen Richtungen die Drei sich bewegt haben. Filmausschnitte, Tagebucheintragungen, Fotografien, Arbeitsskizzen, Briefe und Drehbücher vermitteln einen Ausschnitt aus der enormen Produktivität dieser Künstler.

Die ersten beiden Räumen sind Werner Schroeter gewidmet. Er gehörte wie Fassbinder, Schlöndorff, Wenders oder Herzog zu den Pionieren des sogenannten Neuen Deutschen Films. Innerhalb dieses Männerreigens ist er jedoch ein Außenseiter, wenngleich seine Filme vor allem in Frankreich und Italien Kult waren und vielfach Preise erhielten. Seine Arbeiten, dazu gehören auch und vor allem Opern- und Theaterinszenierungen, wurden in ihrer Radikalität und in ihrer einzigartigen Melange verschiedener Kunstgattungen und Stimmungen in Deutschland, diesem „Schauerland“ (W.S.), nur schwer verstanden. Oper als Kunstform, als „Kraftwerk der Gefühle“, und die großen weiblichen Opern-Stimmen faszinierten Werner Schroeter schon seit seiner Kindheit. Erste Kurzfilme auf 8- und 16-mm widmete er Maria Callas. Sie war zeitlebens sein leuchtender Stern, Inbegriff dessen, was Kunst vermag und wonach er selbst strebte. Das tendenziell wehleidige deutsche Befindlichkeits- oder Meinungskino war ihm ein Greuel. Theater, Kino oder Oper als moralische Anstalt zu verstehen, das widerstrebte dem 1945 in Thüringen geborenen und 2010 in Kassel verstorbenen Künstler ebenso wie die Verdrängung tiefer Emotionen.


Filmstill aus Salome (1971) von Werner Schroeter
Foto © Elfi Mikesch


Die großen Schmerz- und Liebesgesten auf die Leinwand zu bringen, die Kluft zwischen Hoch – und Trivialkultur niederzureißen, darum ging es ihm. Wegbegleitend war seine Muse, Förderin und Freundin Magdalena Montezuma. Ihr hat Schroeter mit „Der Rosenkönig“ (1986) ein filmisches Denkmal gesetzt. Sie ist in der Ausstellung mit wunderschönen Fotografien und zahlreichen Objekten physisch fast ebenso anwesend wie Werner Schroeter selbst. Ein riesiges Fotoprint, wie ein Segel, zeigt ihn in einem Moment höchsten Glücks als er 2008, schon schwer erkrankt, in Venedig den goldenen Löwen für sein Lebenswerk erhielt. Und die zahlreichen Sound- und Toncollagen sind eindrucksvoll. Darunter Ausschnitte aus einem 70-stündigen Interview, welches Schroeter kurz vor seinem Tod mit Claudia Lenssen führte, sowie Klanginstallationen von Eberhard Kloke, der Gespräche, Zitate und Musikausschnitte zu einem eigenständigen Werk verbindet. Besonders gelungen ist der von seiner langjährigen Kostüm- und Szenenbildnerin Alberte Barsacq gestaltete Raum unter dem Motto „Der Wahnsinn, dieser Dietrich aller Herzen“. Dass Werner Schroeter auch selbst unablässig fotografierte, ist kaum bekannt. Zu sehen sind Portraits, Landschaftsaufnahmen und Stilleben, hinzu kommen Ausschnitte von Opern- und Theateraufführungen und zahlreiche Bühnenskizzen von Alberte Barsacq. Wie herrlich wäre es, könnte man sich auf das große, rote Rosenbett oder -feld gleich am Eingang des Max-Liebermann-Saals legen und dabei stundenlang den Gedankengängen Schroeters folgen.


Filmstill aus Der Rosenkönig (1986) von Werner Schroeter
Foto © Elfi Mikesch


Doch zurück zur Freundschaft. 1967 war das Jahr, in dem Werner Schroeter Rosa von Praunheim kennen- und lieben lernte. Rosa war es, der dem damals hoch depressiven Schroeter riet, kreativ zu werden. Und West-Berlin bot hierfür die besten Voraussetzungen. In der sogenannten Subkultur der Mauerstadt trafen sich diejenigen, die auf der Suche nach anderen Filmen, anderen Bildern und vor allem auch nach anderen Lebensformen waren. Hier gab es die Nischen und die Unkontrolliertheit, den politischen und ästhetischen Aufbruch wie wahrscheinlich in keiner anderen Stadt der Republik. Werner Kunzes Galerie in der Giesebrechtstraße fungierte als „hot-spot“. Schade, dass dieser weitgehend ins Vergessen geratene Kunsthändler und Förderer in der Ausstellung keine größere Aufmerksamkeit erhält. Denn legendär waren die rauschenden, tagelangen Feste in den salonartig überbordenden Galerieräumen. Mit von der Partie war Elfi Mikesch. In Werner Kunzes Galerie fand auch ihre erste eigene Ausstellung statt, eine vertonte Diashow.


Filmstill aus Macumba (1983) von Elfi Mikesch
Darstellerin Magdalena Montezuma
Foto © Elfi Mikesch


Eigentlich wollte Elfi Mikesch Schauspielerin werden und nach Amerika gehen, doch dann kam eine Ausbildung als Fotografin, später als Maskenbildnerin. Mit Rosa von Praunheim zusammen entstand 1969 ein Fotoroman – „oh muvie“. Es folgte ein gemeinsamer Weltreisefilm „Leidenschaften“ (1972), sechs Jahre später der erste eigene Film „Ich denke oft an Hawai“ (1978). Vorausgegangen war die Trennung von ihrem Mann, dem Maler Fritz Mikesch, und ihr Comingout. Sie und ihre damalige Partnerin Monika Treut nannte man Anfang der 1980er Jahre das „Duo Infernale“. Ihr gemeinsamer Film „Verführung: die grausame Frau“(1985) war die filmische Antwort auf die feministische Theorie der 1970er Jahre. Elfi Mikeschs Kamera arbeitet in diesem Film mit schrägen Kamerawinkeln und verzerrten Blickpositionen. Endlich sollte die Frau nicht nur über ihren Körper, sondern auch über ihre Körperbilder frei verfügen. Heute umfasst das mit vielen Auszeichnungen versehene Lebenswerk von Elfi Mikesch 60 Filme, darunter zahlreiche Zusammenarbeiten mit Werner Schroeter - für den sie mit „Mondo Lux“ (2011) eine filmische Hommage schuf - und Rosa von Praunheim. Letzterer nennt die Künstlerin gerne bewundernd „die Poetin“. Nachvollziehbar, denn Elfi Mikeschs Bilder sind traumwandlerisch schön. Details verleihen ihrer Kamera ein Geheimnis und ein Eigenleben. Kein Wunder also, dass es in dem von ihr selbst konzipierten Ausstellungsraum um das Sehen und die Wahrnehmung geht. In zwei Holz-Kuben, einer Black Box und einem White Cube, können Teile ihrer Filme angeschaut werden. Einige der ausgestellten Arbeiten beziehen sich auf die Camera Obscura, als erste Technik des Bilder- Nehmens. Wo kommen die Bilder her? Was machen wir mit ihnen? In früheren Zeiten und heute? Vom Beginn der Fotografie an bis zu den sogenannten Selfies heutiger Tage spannt die Künstlerin den Bogen. Und dann sind da noch die Abgründe, der Schrecken, das Töten und die menschliche Grausamkeit als Thema. Riesengroße Fotos von Fleischstücken, Reste toter Kühe und Schweine, grausige Details eines barocken Brunnens - Opferungen und Schlachtungen als verdrängte Bilder des Alltags konfrontieren uns mit all dem, was wir nicht sehen oder gerne übersehen. Viel Nachdenkliches also in diesem Raum. Elfi Mikesch ist sicher nicht nur die Poetin der Trias, sondern auch die stille Warnerin.


Filmstill aus Rosas Welt: 70 Filme zum 70. Film 19 - Werner Schroeter (2012) von Rosa von Praunheim
Kamera: Elfi Mikesch, © Rosa von Praunheim


Ganz das temperamentsmäßige Gegenteil von ihr ist Rosa von Praunheim. Man könnte ihn als das energetische und laute Zentrum dieses künstlerischen Dreierbundes charakterisieren. Als noch niemand von Genderpolitik sprach, schrieb er „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“. Nach dem Buch kam der Film. 1971 war es der erste Film im bundesdeutschen Fernsehen, der zwei sich küssende Männer darstellte. Der Beginn der Schwulenbewegung, der Kampf gegen den § 175, später die Auseinandersetzung mit AIDS, immer war Rosa von Praunheim Sprecher im Kampf um Anerkennung homosexuellen Lebens. Er ist der explizit politischste unter den Dreien. Doch er kämpft nicht verbissen und intellektuell, sondern auf eine schrille und häufig ausgelassene, direkte Art. Sein Temperament ist auch nach 75 Lebensjahren noch überbordend. Seine Kostüme, seine Bücher - zuletzt „wie wird man reich und berühmt“ - die witzigen Bilder (auch ein Studium der Malerei weist seine Biografie auf),
Theaterstücke und seine mittlerweile über 150 Filme sprechen für sich. Bis 2006 war er als Professor für Filmregie an der Filmuniversität Babelsberg tätig, Dozent an zahlreichen Kunst- und Filmhochschulen, Mentor und Filmvater für viele junge Filmschaffende. Zu seinem 70. Geburtstag drehten ihm fünf seiner mittlerweile sehr bekannten Studenten, u.a. Tom Tykwer und Julia von Heinz, den Film „Rosakinder“(2012).
In der Akademie der Künste hat er jetzt ein Mausoleum aufbauen lassen, in dem er all seinen Stars, wie der Schauspielerin Luzi Kryrn oder der unvergesslichen Lotti Huber, eine letzte Referenz erweist. An den Wänden dominieren seine Zeichnungen und Bilder, Film-Plakate und Zeitungsausschnitte sowie groß gedruckte Zitate wie z.B. sein Aufruf: „raus aus den Toiletten, rein in die Straßen“. Filmausschnitte aus Talkshows und eigenen Filmen werden gezeigt, in einem mit Neonfarben bemalten Zelt können seine Gedichte gehört werden, Figurinen mit riesigen Schwänzen gibt es zu bewundern, und überall quillt buntes Spielzeug in mehr oder weniger obszönen Posen aus Ecken und Nischen hervor. In diesem Raum ist wirklich alles Camp bzw. Trash. Man würde sich nicht wundern, wenn einer von Rosas Wünschen in Erfüllung ginge, und er als Erdbeerfrosch quakend in der Ecke säße.

So gibt es insgesamt viel zu entdecken, wenngleich den Besuchern einiges abverlangt wird. Wer nicht vertraut ist mit der Zeit und dieser Szene wird sich schwer tun. Eine gesamt-kuratorische Hand hätte dem ganzen Unterfangen gutgetan. Die zweisprachige Zeitung zur Ausstellung ist deshalb sinnvoll, ein Audioguide wäre noch besser gewesen.
Sehr schade und vollkommen unverständlich allerdings, dass aus dem riesigen Film-Fundus dieser drei Künstler nur ganz wenige Filme gezeigt werden.

Abfallprodukte der Liebe. Eine Ausstellung mit Werken von
Elfi Mikesch, Rosa von Praunheim und Werner Schroeter
Filme, Performances, Talks

Ausstellungseröffnung: Donnerstag, 17. Mai 2018, 19 Uhr, Eintritt frei
Mit Jeanine Meerapfel, Elfi Mikesch und Rosa von Praunheim
Musik: Mona Mur & En Esch feat. Gerhard A. Schiewe

Ausstellung: 18. Mai – 12. August 2018

Di–So 11–19 Uhr, geöffnet am Pfingstmontag (21.5.)
Eintritt € 9/6, bis 18 Jahre und dienstags von 15 bis 19 Uhr Eintritt frei
Talks im Foyer, Eintritt frei

Akademie der Künste, Pariser Platz 4, 10117 Berlin
Filme € 6/4, Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, 10557 Berlin
adk.de/mikesch-praunheim-schroeter/

Daniela Kloock

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