19:30 + 21:00 Uhr: Doppelkonzert: u.a. Nothing Is Real "Strawberry Fields Forever" by John Lennon and Paul McCartney, arr. by Alvin Lucier, (Performance: Ron Kuivila). Emmauskirche Kreuzberg | Lausitzer Platz 8a | 10997 Berlin
Wissenschaft will objektiv sein, sie kämpft sich an einer sachgerechten Sprache ab. Ihr Gegenstand wird ausgebrannt und unterm Mikroskop beleuchtet. Gerade in den Naturwissenschaften herrschen strenge Regeln, Hauptsätze reihen sich aneinander, eine feste Terminologie gibt den Maßstab an. Wissenschaft liefert Daten.
Mit diesem Wissenschaftsverständnis bricht die Kunst- und Forschungsplattform Art Laboratory Berlin. Schon seit Jahren initiieren Regine Rapp und Christian de Lutz (Ko-Direktor *in und Kurator*in) interdisziplinäre Kunstprojekte mit internationalen Künstler*innen, die den Dialog zwischen Kunst und Forschung suchen und sich über gängige Strukturen hinwegsetzen.
Ausgestellt werden schließlich nicht nur Werke der eingeladenen Künstler*innen, Basisbestandteil der Arbeit sind immer wieder begleitende Symposien und umfassende Broschüren, die die komplexen Werke transparent machen sollen.
So sind in der aktuellen Ausstellung Under the Viral Shadow nicht nur acht Werke von sechs Künstler*innen zu sehen, ebenso liegt für jedes Werk eine Anthologie mit weiterführenden Rechercheergebnissen bereit.
Wenn Kunst und Naturwissenschaft zusammenprallen, dient Kunst meist der hübschen Einkleidung, sie illustriert die sperrigen Fußnoten. Die Ausstellung Under the Viral Shadow konterkariert diesen Zustand. Hier wird Kunst eine künstlerisch-experimentelle Rolle zugewiesen. Sie kommuniziert auf Augenhöhe, unter anderem dadurch, weil sie die gleichen Codes einer ´objektiven` Wissenschaft adaptiert hat: Sie setzt selbst Fußnoten, ist um Transparenz bemüht und entkommt damit dem Vorwurf beliebiger Zusammenstellung und Emotivität.
Ungewohnt kreativ zeigt sich zum Beispiel die KI Abraham. Entwickelt von dem Künstler und Programmierer Gene Kogan, schafft der Computer selbst Bildwerke oder kombiniert Wörter und Bilder miteinander. Dazu müssen die Besucher*innen Worte eingeben. Anhand der Begriffe generiert die KI, sozusagen autonom, ein Bild. Je mehr Begriffe die Maschine kennt, je häufiger sie Bilder „macht“, desto reicher wird schließlich auch ihr eigener Fundus an Bildern. Mit der beigelegten Broschüre möchte Kogan die Funktionsweise der KI aufschlüsseln, der Mythos der sogenannten „Black Box“ soll hierbei aufgeklärt werden.
Es klopft, pocht, schlägt – durchdringend tönt eine Maschine in der Raummitte. Sie ist eine von zwei raumschiffartigen Objekten des Künstlers, Designers und Musikers Benjamin Bacons PROBE II: Subaudition. Wie Abraham reagieren auch diese Mechaniken auf unsere Sprache und vermögen unmittelbar mit den Besucher*innen zu interagieren. Die Maschinen nehmen gesprochene Worte als Daten wahr. Sie transformieren diese in neuartige Codes und vernetzte Systeme. Auf jene Weise kommunizieren sie mit uns, wobei wir deren Sprache kaum entschlüsseln können: Blechernes Klopfen, das wie Morsezeichen anmutet.
Und die zweite Maschine tritt über Farben und Leuchtintensität in Dialog. Subaudition ermöglicht vor dem Hintergrund eines unverständlichen, bzw. fremdsprachigen Codes auch eine politische Interpretation des Werkes: Welche Sprache wird hörbar, was wird wie kommuniziert und welche Bedeutungszusammenhänge lassen sich nur durch bestimmtes Wissen entschlüsseln?
In einer schwarz gefassten Wandnische rollt sich eine Kette mit rot-gelb-orangefarbenen Perlen auf einem kunstvoll umhäkelten, blauen Stoff. Klassisch museal wie ein Fundstück einer vorzeitlichen Ära erscheint Anna Dumitrius Arbeit Engineered Antibody. Die britische Künstlerin, die insbesondere in den Bereichen Mikrobiologie, Infektionskrankheiten, Robotik, künstliche Lebenstechnologie und Kunst/Wissenschaftsethik arbeitet, zeigt hier 452 zu einer Kette aufgefädelte Perlen, die die Aminosäuren eines Antikörpers eines HIV-Patienten darstellen. Der blaue Farbstoff stammt wiederum aus einem Labor, um Proteine einfärben und nachweisen zu können. Abseits der detaillierten Bedeutungen erweitert diese Präsentation das Gezeigte subtil auf einer ästhetischen Ebene. Die Kette als Symbolträger eines Antikörpers lässt sich auch als Würdigung über die unfassbaren Fähigkeiten unseres Organismus verstehen.
Eine ähnliche Faszination reizte vermutlich auch Sarah Grant (u.a. Gründerin des interaktiven Medienstudios Cosmic.Berlin), als sie für ihre Arbeit Physarum Topologies den lebenden Schleimpilz „Physarum polycephalum“ nutzte. Dieser Pilz ist seit längerem Untersuchungsgegenstand zahlreicher Labore, u.a. weil er in der Lage ist, komplexe Netzwerke nachzubilden und selbst zu erschließen. Auf der Suche nach Nahrung (Haferflocken) wächst der Pilz schnell und stetig weiter. Für diese Installation wurden die Haferflocken angeordnet wie Netzwerktypen aus der Computertechnologie, sternförmig, baumstammartig, verflochten, mit und ohne Zentrum. In den kommenden 6 Wochen können die Besucher*innen der Ausstellung und der Website das Wachstum mitverfolgen.
Doch lässt sich dieses Faszinosum vor allem vor Ort weiter vertiefen, insbesondere mit den ausführlichen Textsammlungen. Die Kunstwerke werden mit den Texten zu Teilen eines wissenschaftlichen Diskurses und geben sich einem aufklärerischen Auftrag hin. Die immersive Wirkung des unablässigen Klopfens, der feine Gelbton des Pilzes, der sich mit den eingefärbten Haferflocken mischt, die milchigen Perlen auf dem Stoffbett, lassen sich nur in Präsenz erspüren. Ein Text, gar eine Fußnote vermag diese Qualitäten vielleicht zu erklären, doch kann er sie nicht transportieren. Nicht zuletzt wird auch erst bei einem Ausstellungsbesuch der Austausch mit den Künstler*innen und Kurator*innen möglich.
Künstler*innen:
Gene Kogan, Sarah Grant, Benjamin Bacon, Anna Dumitriu, Alex May, Vivian Xu
WORKSHOPS
Gene Kogan | AI for Artists
28. August 2021
Sarah Grant | Plant-to-Plant Protocols
24. – 26. September
Danja Vasiliev & Sarah Grant | NETworkshop
1. – 3. Oktober 2021
KONFERENZ
9. Oktober 2021, online mit Livestream
Mit Beiträgen der ausstellenden Künstler*innen mit
Forscher*innen aus den Geistes- und Naturwissenschaften
Keynote: Roberta Buiani (University of Toronto)
Das Konferenzprogramm:
DEUTSCH
artlaboratory-berlin/under-the-viral-shadow-konferenz/
ENGLISCH
artlaboratory-berlin/under-the-viral-shadow-conference
Art Laboratory Berlin
Prinzenallee 34, 13359 Berlin
Under-the-Viral-Shadow
28. August – 10. Oktober 2021
Do – So, 14 – 18 Uhr oder nach Vereinbarung
artlaboratory-berlin.org
Titel zum Thema Art Laboratory Berlin:
Welche Farbe hat ein öffentlicher Ort? Käthe Wenzel bei Art Laboratory Berlin
Ausstellungsbesprechung
Sound of Soil – Was aus dem Boden spricht. Saša Spačal bei Art Laboratory Berlin
dieses Wochenende letzte Gelegenheit: hier Ausstellungsbesprechung
Schlafreden. Eine künstlerische Erkundung zu Künstlicher Intelligenz und menschlichem Bewusstsein.
Interview: Im Gespräch mit HyungJun Park, dessen Arbeiten aktuell bei Art Laboratory Berlin (nur noch bis Sonntag) zu sehen unerleben sind.
Matter of medicine? Matter of witchcraft?
Ausstellungsbesprechung: Art Laboratory Berlin zeigt mit MATTER OF FLUX eine Ausstellung, die queerfeministisch, erfrischend aufrüttelnd und hochaktuell ist. LAST CHANCE ...
Schön schmutzig. Im Teufelskreis von Mikroplastik und anderen Umweltsünden
Letzter Ausstellungstag von „Vicious Cycle. Artistic Research on Climate Crisis“ bei Art Laboratory Berlin.
Soziale Fermentation - Hackers, Makers, Thinkers bei Art Laboratory Berlin
Ausstellungsbesprechung: Collective Experiments in Social Fermenting lautet der Untertitel der aktuellen Ausstellung “Hackers, Makers, Thinkers” der mehrfach ausgezeichneten Kunst- und Forschungsplattform
Art Laboratory Berlin.
Abgestoßene Anziehung
Laat Chance: Unsere Besprechung zum Ausstellungsprojekt Paired Immunity der Bio-Art Künstlerin Marta de Menezes und des Immunologen Luís Graça bei Art Laboratory Berlin.
Aufkla(e)ren: Kunst und Wissenschaft
Bevor die Ausstellung bei Artlaboratory Berlin am Sonntag endet, findet am Samstag eine Konferenz online mit Livestream statt.
Vom Mythos der Natürlichkeit
Ausstellungsbesprechung: Sie ist uns nah und doch so fern: Wir glauben, die Natur zu kennen und sehen dabei oft nur, was wir sehen wollen – wie die Ausstellung “Swarms, Robots and Postnature” noch bis zum 27.06.2021 bei Art Laboratory Berlin zeigt.
Alle Spezies sind gleich
Die feministische Gruppenschau The Camille Diaries bei Art Laboratory Berlin und dem Projektraum and OKK.
THE CAMILLE DIARIES. New Artistic Positions on M/otherhood, Life and Care
Ausstellung + Symposium /
Laufzeit: 28.8. - 4.10. 2020 /
Art Laboratory Berlin, Prinzenallee 34 and OKK, Prinzenallee 29, 13359 Berlin
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Finis Pecunia! Viva Mycelia!
Ausstellungsbesprechung: Die Ausstellung Borderless Bacteria / Colonialist Cash von Ken Rinaldo bei Art Laboratory Berlin zeigt, dass Banknoten nicht nur Zahlungsmittel, sondern auch ein beliebtes Mikroben-Futter sind.
going wrong, turning back, inflexible - Kommunikation mit der nichtmenschlichen Kreatur
Ausstellungsbesprechung: Sich mit der Ästhetik der Kunst zu beschäftigen und gleichzeitig neueste Forschungsstände zu existenziellen Themen wie dem Klimawandel zu bekommen - das funktioniert hervorragend bei Art Laboratory Berlin.
Die Kunst des Händeschüttelns. Eine neue Ausstellung bei Art Laboratory Berlin
Ausstellungsbesprechung: Wer bitte kommt auf die Idee, freiwillig hintereinander 1000 Hände zu schütteln? Und das dazu im Berliner Winter, wo die Infektionsgefahr besonders groß ist. François-Joseph Lapointe lacht.
Where there´s dust there´s danger
Ausstellungsbesprechung: Der Weddinger Projektraum Art Laboratory Berlin widmet sein Ausstellungsprogramm in diesem Jahr dem Thema [macro]biologies & [micro]biologies - Kunst und Lebenswissenschaften im 21. Jahrhundert.
Schloss Biesdorf
neurotitan
Urban Spree Galerie
Haus am Lützowplatz
Galerie 15