Anzeige
Boris Lurie

logo art-in-berlin.de
Berlin Daily 27.04.2024
Ausstellung Melting Mountains: Vortrag+Gespräch

17 Uhr: mit Theresa Schubert (Künstlerin) und Ingeborg Reichle (Kunsthistorikerin / Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam). Projektraum MEINBLAU, Christinenstr. 18-19, 10119 Berlin

Artist Talk zum Weltfrauenmonat

von Frank Lassak (21.03.2024)


Artist Talk zum Weltfrauenmonat

links: Rubica von Streng, rechts: Sara Lily Perez, Galerie SLP, 2024, Foto: Efacts Photography

Im Rahmen der Ausstellung zum Weltfrauenmonat, „Grace & Valor – The Dual Essence of Femininity“, veranstaltet die Galerie SLP im Bikinihaus am Samstag, dem 23. März (Beginn: 16 Uhr) einen Artist Talk mit Rubica von Streng , die in der Schau mit vier Gemälden vertreten ist. Die Berliner Künstlerin wird über ihren aktuellen Werkzyklus „PortLand“ und über ihre Arbeit als Künstlerin sprechen. Gastautor Frank Lassak hat mit ihr und der Galeristin Sara Lily Perez vorab gesprochen.

Frank Lassak: Laut einer jüngst veröffentlichten artnet-Studie können nur 22 Prozent der zeitgenössischen Künstlerinnen von ihrer Kunst leben. Bei den männlichen Kollegen sind es immerhin 37 Prozent. Worin sehen Sie die Hauptgründe für dieses Missverhältnis, Frau Perez?

Sara Lily Perez: Lange Zeit wurde Künstlerinnen nicht so viel Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegengebracht wie Künstlern. Erst seit Kurzem verdienen Frauen etwas besser mit ihrer Kunst. Was nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die Arbeit von Frauen noch immer nicht angemessen bezahlt wird. Diese Einkommensunterschiede sind das Ergebnis einer tief verwurzelten Ungerechtigkeit. In unserer Galerie möchten wir – bisweilen auch mit Ausstellungen, in denen ausschließlich Werke von Künstlerinnen gezeigt werden, wie jetzt, während des Weltfrauenmonats – die Situation von Frauen in der Kunst verbessern.

Frank Lassak: Von Frauen erschaffene Werke verkaufen sich zudem nach wie vor schlechter als jene von Männern. Zwischen 2009 und 2020 trugen Arbeiten von Künstlerinnen beispielsweise nur zwei Prozent zu den Einnahmen großer Auktionen bei.

Sara Lily Perez: Hauptverantwortlich für den niedrigeren Marktwert ist meines Erachtens, dass Künstlerinnen in hochkarätigen Ausstellungen, Galerien und Sammlungen noch immer unterrepräsentiert sind. Die Konsequenz: Was nicht sichtbar ist, wird weniger nachgefragt.

Rubica von Streng: Das hat wohl historische Gründe, da im Lauf der Zeit mehr Männer als Frauen künstlerisch tätig waren. Vermutlich wird es noch eine Weile dauern, bis das Verhältnis ausgeglichen ist.

Frank Lassak: Anderseits investieren bedeutende Sammlungen zurzeit zunehmend in Werke von Künstlerinnen. Ist das als positives Signal zu werten? Was halten Sie davon, dass Galerien und Museen Ausstellungen zeigen, in denen nur Werke von Künstlerinnen zu sehen sind?

Rubica von Streng: Es ist verständlich, dass Frauen derzeit verstärkt gefördert werden. Ich bezweifle aber, ob das auf Dauer eine wirklich gute Lösung ist.

Sara Lily Perez: Wenn wir spezielle Ausstellungen exklusiv mit Künstlerinnen machen, ist das ein Schritt in die richtige Richtung, um dadurch Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Aber es kann auch dazu führen, dass wir zu viel darüber nachdenken, dass Künstlerinnen eben Frauen sind, anstatt uns allein auf die Werke zu konzentrieren. Es gilt sicherzustellen, dass alle fair behandelt werden und die Chance bekommen, dass ihre Arbeiten gesehen und gewürdigt werden. Kunst darf nicht mehr nach dem Geschlecht der Kunstschaffenden eingestuft werden.

Responsive image
Sara Lily Perez, Foto: Efacts Photography

Frank Lassak: Welche Mittel setzen Sie als Galeristin und Kuratorin ein, um weibliche künstlerische Positionen in Ihrem Programm gleichwertig zu berücksichtigen?

Sara Lily Perez: Um Künstlerinnen bei uns die gleichen Chancen zu geben wie Künstlern, suchen wir aktiv nach Kunst von Frauen und unterstützen sie. Wir sorgen dafür, dass in Gruppenausstellungen genauso viele Künstlerinnen wie Künstler vertreten sind. Und wir helfen Frauen, die am Anfang ihrer künstlerischen Laufbahn stehen, indem wir sie beraten und ihnen die Möglichkeit geben, ihre Kunst zu zeigen. Zudem kommunizieren wir transparent, wie wir Werke auswählen. So können alle verstehen, dass wir Werke zeigen, weil sie gut sind und nicht, weil sie von einem bestimmten Künstler oder einer bestimmten Künstlerin stammen. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass alle, egal ob Mann oder Frau, eine faire Chance haben.

Frank Lassak: Die Kunsthistorikerin Britta Kadolsky kommt in ihrem Blog-Beitrag „Frauen in der Kunst“, der im Dezember 2023 erschien, zu dem Schluss, dass es „keine typisch weibliche Kunst“ gebe. Wie sehen Sie das?

Rubica von Streng: Das stimmt an sich. Es bräuchte anerkannte künstlerische Kriterien, die es meines Wissens nicht gibt.

Sara Lily Perez: Man hat oft versucht, Künstlerinnen in eine Schublade zu stecken und ihnen zu sagen, welche Art von Kunst sie machen sollen. Das ist nicht fair und letztlich nur ein weiteres Vorurteil gegenüber dem weiblichen Geschlecht in der Kunstwelt. Zu sagen, dass Kunst nur auf eine bestimmte Art und Weise sein kann, weil sie von einer Frau oder einem Mann gemacht wird, ist zu einfach und geht völlig an der Sache vorbei. Alle Künstlerinnen und Künstler haben ihre eigene Art, Kunst zu erschaffen, und sie sollten für ihre einzigartigen Ideen und das Besondere, das sie der Kunstwelt hinzufügen, bekannt sein.

Frank Lassak: Die Stiftung Advancing Women Artists hatte vor, die Werke von „vergessenen“ Künstlerinnen aus vergangenen Jahrhunderten in Ausstellungen sichtbar zu machen und zu katalogisieren. Ein millionenschweres Projekt, das den Kunstkanon weiblicher machen sollte, wie die 2018 verstorbene Initiatorin Jane Fortune sagte. Wäre solch eine Aufarbeitung beziehungsweise Revision wichtig, um die Stellung der Frauen in der Kunstwelt zu verbessern? Oder sollte nicht viel mehr in aktuelle Kunst und deren Produzentinnen investiert werden?

Rubica von Streng: Fehler aus der Vergangenheit aufzuarbeiten, ist immer wichtig. Insofern sollte man dieses Projekt durchführen. Keinesfalls sollte man aber das eine gegen das andere ausspielen: Beides – die historische Aufarbeitung und die Förderung zeitgenössischer Künstlerinnen – kann ein Bewusstsein für den derzeitigen Missstand schaffen.

Sara Lily Perez: Die Aufarbeitung und das historische Gedächtnis sind entscheidend für ein umfassenderes und genaueres Verständnis der Kunstgeschichte. Projekte, die darauf abzielen, Werke von früheren Künstlerinnen sichtbar zu machen, stellen den traditionellen Kunstkanon in Frage und tragen zu einer umfassenderen Darstellung bei. Damit werden nicht nur die Beiträge von Frauen zur Kunst gewürdigt, sondern auch das kulturelle Erbe für die Öffentlichkeit reicher und vielfältiger. Solche Bemühungen können zu systemischen Veränderungen in der Art und Weise anregen, wie Kunst geschätzt, studiert und gefeiert wird – und letztlich die Position von Frauen in der heutigen Kunstwelt verbessern.

Responsive image
Rubica von Streng, Foto: Efacts Photography

Frank Lassak: Die griechische Künstlerin Leda Papaconstantinou sagte kürzlich: „Ich kann Frau und zugleich Künstlerin sein, wenn ich will. Für diese Freiheit habe ich stets mit erhobener Faust gekämpft – und tue es weiterhin.“ Geht es nur in Form eines Kampfes, oder können sich Künstlerinnen auch mit anderen Mitteln ihren Platz in der Kunstwelt schaffen? Wie sehen Sie das, Frau von Streng?

Rubica von Streng: Nachhaltige Gleichstellung braucht einen Bewusstseinsprozess, der ihr vorausgeht. Eine Veränderung in der Besetzung der Entscheidergremien würde sicher etwas bringen. Man könnte an Kuratierende appellieren, mehr Kunst von Frauen auszustellen, sodass deren Werke in gleichem Maße sichtbar und ebenso wertgeschätzt werden wie die von Männern.

Artist Talk: Rubica von Streng Galerie SLP im Bikinihaus
Samstag, 23. März 2024, 16 Uhr Budapester Str. 48
10787 Berlin

Frank Lassak

weitere Artikel von Frank Lassak

Newsletter bestellen




top

Titel zum Thema Interview:

Bettina Hutschek: Snake Chronicles
Gastbeitrag: Ein Gespräch der Kuratorin und Kunstwissenschaftlerin Verena Voigt mit der Künstlerin Bettina Hutschek über Mythen und Misogynie anlässlich ihrer Teilnahme an der maltabiennale.art 2024

Artist Talk zum Weltfrauenmonat
Gastbeitrag: Ein Interview von Frank Lassak mit der Künstlerin Rubica von Streng und der Galeristin Sara Lily Perez.

"American Pop Culture Is Black Culture"
Die Ausstellung ULYSSES JENKINS: WITHOUT YOUR INTERPRETATION in der Julia Stoschek Collection endet am Sonntag (30.7.). Ein aufschlussreiches Interview führte Hanna Komornitzyk mit der Co-Kuratorin Meg Onli.

Die Stimmungen der Zeit festhalten. Die Künstlerin Rubica von Streng im Interview.
Die Stimmungen der Zeit festzuhalten, erweist sich gerade bei einer so facettenreichen Gesellschaft wie der des 21. Jahrhunderts als sehr komplex. Ich arbeite deshalb auch gern mit Fragmenten. (Rubica von Streng)

COMM: Das Pop-up Büro fürs Museum
Im Interview Maximilian Wahlich mit Carolina Hanke und Fee Wedepohl von COMM: Das Pop-up Büro fürs Museum

Im Gespräch mit dem Fotografen Volker Hagemann
Volker Hagemanns Arbeiten greifen Phänomene der Alltagskultur im Kontext kulturgeschichtlicher Prägung auf. Seine Fotografie steht fast immer im Kontext aktueller Diskurse (Medientheorie, Raumtheorie); ebenso wichtig sind ihm die ästhetische Dimension und eine intuitive Lesbarkeit.

Der Raum als leeres Blatt Papier
Interview: Ferial Nadja Karrasch im Gespräch von mit der Künstlerin Akane Kimbara.

„Es gibt in der Kunst keine eindeutigen Antworten.“
Ein Gespräch mit der Künstlerin Clara Brörmann.

Interviews in Ausnahmesituationen – mit Zuzanna Skiba
Urszula Usakowska-Wolff im Gespräch mit Zuzanna Skiba: "Je dramatischer einem das Leben begegnet, desto individueller kann die künstlerische Arbeit werden, wenn man sie kompromisslos ehrlich und authentisch betreibt. ..."

Käthe Kruse im Interview
Am Samstag (11.7.) endet die Ausstellung Käthe Kruse: 366 Tage in der Galerie Zwinger. Aus diesem Grund nochmals unser Interview mit der Künstlerin.

Interviews in Ausnahmesituationen – mit Simone Haack
Urszula Usakowska-Wolff im Gespräch mit Simone Haack: „Mein Hauptgefühl war zuerst, ausgebremst zu sein. Aber jetzt habe ich schon eine fast romantische Erinnerung an diese Lockdown-Zeit.“

Interviews in Ausnahmesituationen – mit Pierre Wolter und Melanie Zagrean
Carola Hartlieb-Kühn im Gespräch mit den beiden Berliner Galeristen Pierre Wolter und Melanie Zagrean von der Galerie Galerie Art Claims Impulse.

Interviews in Ausnahmesituationen – mit Martin Kwade
Urszula Usakowska-Wolff im Gespräch mit dem Berliner Galeristen Martin Kwade: „Die Entschleunigung ist nichts für mich. Ich hätte es gern, dass das Tempo noch schneller wird. ...

Interviews in Ausnahmesituationen – Tina Sauerländer
Urszula Usakowska-Wolff im Gespräch mit Tina Sauerländer: „Digitale Medien werden analoge nicht verdrängen, aber es ist für viele Künstler*innen aus anderen Bereichen wie Malerei oder Skulptur spannend, mit Virtual Reality zu arbeiten. Denn dort gelten physikalische Gesetze nicht.“

Interviews in Ausnahmesituationen – Barbara Green
Urszula Usakowska-Wolff im Gespräch mit der Kuratorin Barbara Green: „Kunst hat in Krisensituationen schon immer eine gewichtige Rolle eingenommen. Von jeher wird Kunstschaffenden eine visionäre Kraft zugeschrieben, die uns zu einem veränderten Blick auf unsere Wirklichkeit auffordert.“

top

zur Startseite

Anzeige
artspring berlin 2024

Anzeige
Magdeburg unverschämt REBELLISCH

Anzeige
SPREEPARK ARTSPACE

Anzeige
Responsive image

Anzeige
Alles zur KI Bildgenese

Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
Kommunale Galerie Berlin




Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
Haus am Kleistpark




Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
Haus am Kleistpark




Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
Verein Berliner Künstler




Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
Haus am Lützowplatz




© 1999 - 2023, art-in-berlin.de Kunstagentur Thomessen Hartlieb-Kühn GbR.