16 Uhr: zwischen der Künstlerin Cornelia Herfurtner und David Polzin im Rahmen der Ausstellung "Die Kids sind nicht alright!". Galerie Adlershof im Kulturzentrum Alte Schule | Dörpfeldstraße 54-56 | 12489 Berlin
Carola Hartlieb-Kühn: Die Galerie Art Claims Impulse existiert seit 2006 und ist schwerpunktmäßig auf Videokunst, Performance und Installationen spezialisiert. Wie ist Ihre aktuelle Stimmung? Geben die Lockerungen zu Corona schon wieder Grund zur Hoffnung auf Normalität oder haben Sie das Galerieprogramm sowieso bereits ins Netz verlagert?
Pierre Wolter: Wir haben gerade am 31.05.2020 die Ausstellung „On Frail Ground“ mit Petja Ivanova und Mihai Grecu beendet und sind jetzt mit der Nachbearbeitung beschäftigt. Verglichen mit unseren vorhergehenden Ausstellungen war alles äußerst seltsam. Wir konnten weder eine Eröffnung feiern, noch direkt Gruppen ansprechen, da wir dadurch sofort gegen die Corona-Regulierungen verstoßen hätten. Ein weiteres unerwartetes Problem entstand dadurch, dass uns mitgeteilt wurde, auf auf eine Bestuhlung zu verzichten. Nun kann man nicht von älteren Menschen erwarten, dass sie sich ein Videokunstwerk im Stehen anschauen sollen. Wir haben uns dann für einen Stuhl vor jeder Videoarbeit entschieden und darauf geachtet, dass die Besucher Mundschutz trugen, der Mindestabstand eingehalten wurde und die Raumregel (1 Person pro 20qm) nicht überschritten wurde.
Von den Lockerungen spüren wir relativ wenig, da unser Berufszweig nicht als systemrelevant angesehen wird. Wir werden deshalb wahrscheinlich die Letzten in der Kette sein, denen erlaubt wird, das Kind wieder in die Kita zu bringen - trotz allen öffentlichen Beteuerungen, dass Kultur so wichtig sei.
Melanie Zagrean: Als klar wurde, dass ein normaler Ausstellungsbetrieb nur eingeschränkt möglich sein würde, haben wir gleich unseren Kunden und der Presse Einladungen zu einer virtuellen Tour durch die Ausstellung angeboten. Natürlich ist die Situation sehr speziell, aber sie wurde dankend angenommen und viele möchten diese Möglichkeit auch in Zukunft wahrnehmen. Zum Glück werden wir bei der nächsten Ausstellung mit Werken von Jörg Piringer (*nominiert für den Ingeborg Bachmann Preis 2020) und Dave Ball wieder eine Eröffnung durchführen können. Wir freuen uns riesig darauf.
CHK: Ihr Galerieprogramm entspricht nicht unbedingt dem Mainstream. Wie treffen Sie Ihre Künstler*innenauswahl bzw. was muss die Kunst ausmachen, damit Sie sie ausstellen?
Pierre Wolter: Die Festlegung auf Medienkunst (einschließlich Videokunst), Performance und Medien-Installation entstand dadurch, dass ich genau diese Bereiche während meines Master of Fine Arts Kunststudiums am Central Saint Martins in London studiert habe. Als ich dann 2002 nach Berlin ging, sah ich sofort, dass diese Bereiche, außer in ein paar namhaften Galerien wie z.B. DAM, Olaf Stüber oder die Play Gallery, in der Galeriewelt sehr stiefmütterlich vertreten waren. So entschlossen wir uns, den Namen eines von meinen Kunstwerken, Art Claim Impulse, zu verwenden. Wir wollten damals auch ein Statement gegen den Namenskult der Galeristen setzen und quasi ein Motto für unsere Galerie/Plattform verwenden. Die Idee, den Namen des Kunstwerks als Galerienamen zu übernehmen, hatte Melanie. Offiziell wurde die Galerie 2006 gegründet, aber eigentlich hatten wir schon einen Vorläufer in London, im Juli 2000. Leider waren wir aufgrund der Doppelbelastung durch Vollzeit-Studium und Vollzeit-Job nicht in der Lage, die Galerie fortzuführen.
Melanie Zagrean: Auf Ihre Frage zurückkommend, was muss Kunst ausmachen, damit wir sie ausstellen? Unser Hauptinteresse gilt der Kunst mit einem ungewöhnlichen Ansatz, der in thematischer, technischer und ästhetischer Hinsicht innovativ ist.
Pierre Wolter: Für mich müssen Künstler Statements mit ihren Kunstwerken setzen. Ich sehe Kunst auch als eigene Sprache. Sie muss Diskussionen eröffnen. Mit Mainstream-Kunstwerken kann man keine zeitgenössische Kunstdiskussion führen. Wobei die Betonung hier auf zeitgenössisch liegt. Viele Kunstwerke, die heute „Mainstream“ sind, entsprachen damals nicht dem Mainstream und wurden erst jetzt nach Jahrzehnten zum Mainstream erhoben.
CHK: Wie kann man als Galerie in diesen Zeiten finanziell überleben?
Pierre Wolter: Letzten Endes muss jede Galerie sich ein eigenes Konzept erarbeiten. Es ist momentan nicht einfach, aber wir haben zum Glück einen treuen Kundenstamm, der uns noch nicht im Stich gelassen hat. Im Prinzip sind es ganz normale betriebswirtschaftliche Entscheidungen, die von allen Betrieben erfüllt werden müssen.
CHK: Hat sich die Zusammenarbeit mit Ihren Künstler*innen in den letzten Monaten verändert?
Melanie Zagrean: Diese Frage ist schwierig zu beantworten, da wir schon immer sehr in den Online Medien aktiv waren. Kontaktanbahnungen gingen zum Teil oft durch E-Mail und Telefon vonstatten. Jetzt wird verstärkt über Video Chats kommuniziert. Einige Künstler aus Berlin besuchten natürlich auch früher unsere Ausstellungen und versuchten dadurch, mit uns ins Gespräch zu kommen.
Pierre Wolter: Ich glaube, Petja Ivanova ist die erste Künstlerin aus Berlin, die ich komplett virtuell kennengelernt habe. Ich war gerade im Auto auf dem Weg zur Galerie. Da hörte ich ein Feature über sie im Deutschlandradio und habe ein paar Stunden später sofort versucht, sie über die Sozialen Medien zu kontaktieren. Das hat ausgezeichnet funktioniert. Persönlich habe ich sie erst einen Tag vor dem Ausstellungsaufbau getroffen.
CHK: Was sind die nächsten Projekte?
Pierre Wolter: Wir eröffnen am 09.07.2020 unsere nächste Ausstellung mit Jörg Piringer und Dave Ball. Beide sind extrem spannende Künstler. Sie setzen sich mit der Visualisierung von Sprache auseinander. Der eine nennt sich unter anderem „Digital Poet“ und zwingt seinen Computer zum Beispiel Klang-Gedichte zu erzeugen. Wir haben ihn im Programm seit er den ZKM App Art Award 2012 gewann. Seine Auseinandersetzung mit Sprache und Poesie hat ihn nun zur Nominierung des diesjährigen Ingeborg Bachmann Preis geführt.
Melanie Zagrean: Der andere, Dave Ball, hat sich ein unvorstellbares Performance-Projekt zum Ziel genommen: Er visualisiert jedes Wort im Concise English Oxford Dictionary gemäß von ihm aufgestellten Regeln. Wir zeigen einzelnen Sequenzen von A, B, C und D. Am Ende dieses Projektes werden unzählige Zeichnungen, Fotos, Videos und dokumentierte Performances existieren. Das Kunstwerk heißt schlicht „From A - Z“.
Unsere Kuration ermöglicht in der Ausstellung wieder zwei unterschiedlichen Positionen (Jörg Piriniger: Digitale Werke, Dave Ball: Zeichnungen, Illustrationen) den Raum zu einem spannenden Dialog.
Titel zum Thema Interview:
Zeitgenössische Kunst im Krankenhaus. Macht das Sinn?
Gespräch: Wir sprachen mit der Kunstwissenschaftlerin, Kritikerin und Kuratorin Anne Marie Freybourg über ihre Erfahrungen mit zeitgenössischer Kunst im Kontext von Gesundheit, Kranksein und Heilung.
Imaginierte Sehnsuchtsorte. Die Künstlerin Rubica von Streng im Interview.
"Heimat: ein universelles und zugleich persönliches Konzept"
In einer temporären Galerie unweit des Bahnhofs Gesundbrunnen zeigen 40 Künstler:innen aus aller Welt vom 1.-12.6. ihre Positionen zu kultureller Identität und Zugehörigkeit. Frank Lassak sprach mit Kuratorin Georgina Magklara über die Ausstellungsidee. (Gastbeitrag)
Der Akt wird zur Akteurin
Gastbeitrag: Frank Lassak sprach mit der Künstlerin Stephanie Pech über ihre Ausstellung im Kunsthaus Potsdam und ihre Performance „Hybrid Moves“.
Bettina Hutschek: Snake Chronicles
Gastbeitrag: Ein Gespräch der Kuratorin und Kunstwissenschaftlerin Verena Voigt mit der Künstlerin Bettina Hutschek über Mythen und Misogynie anlässlich ihrer Teilnahme an der maltabiennale.art 2024
Artist Talk zum Weltfrauenmonat
Gastbeitrag: Ein Interview von Frank Lassak mit der Künstlerin Rubica von Streng und der Galeristin Sara Lily Perez.
"American Pop Culture Is Black Culture"
Die Ausstellung ULYSSES JENKINS: WITHOUT YOUR INTERPRETATION in der Julia Stoschek Collection endet am Sonntag (30.7.). Ein aufschlussreiches Interview führte Hanna Komornitzyk mit der Co-Kuratorin Meg Onli.
Die Stimmungen der Zeit festhalten. Die Künstlerin Rubica von Streng im Interview.
Die Stimmungen der Zeit festzuhalten, erweist sich gerade bei einer so facettenreichen Gesellschaft wie der des 21. Jahrhunderts als sehr komplex. Ich arbeite deshalb auch gern mit Fragmenten. (Rubica von Streng)
COMM: Das Pop-up Büro fürs Museum
Im Interview Maximilian Wahlich mit Carolina Hanke und Fee Wedepohl von COMM: Das Pop-up Büro fürs Museum
Im Gespräch mit dem Fotografen Volker Hagemann
Volker Hagemanns Arbeiten greifen Phänomene der Alltagskultur im Kontext kulturgeschichtlicher Prägung auf. Seine Fotografie steht fast immer im Kontext aktueller Diskurse (Medientheorie, Raumtheorie); ebenso wichtig sind ihm die ästhetische Dimension und eine intuitive Lesbarkeit.
Der Raum als leeres Blatt Papier
Interview: Ferial Nadja Karrasch im Gespräch von mit der Künstlerin Akane Kimbara.
„Es gibt in der Kunst keine eindeutigen Antworten.“
Ein Gespräch mit der Künstlerin Clara Brörmann.
Interviews in Ausnahmesituationen – mit Zuzanna Skiba
Urszula Usakowska-Wolff im Gespräch mit Zuzanna Skiba: "Je dramatischer einem das Leben begegnet, desto individueller kann die künstlerische Arbeit werden, wenn man sie kompromisslos ehrlich und authentisch betreibt. ..."
Käthe Kruse im Interview
Am Samstag (11.7.) endet die Ausstellung Käthe Kruse: 366 Tage in der Galerie Zwinger. Aus diesem Grund nochmals unser Interview mit der Künstlerin.
Interviews in Ausnahmesituationen – mit Simone Haack
Urszula Usakowska-Wolff im Gespräch mit Simone Haack: „Mein Hauptgefühl war zuerst, ausgebremst zu sein. Aber jetzt habe ich schon eine fast romantische Erinnerung an diese Lockdown-Zeit.“
Haus am Lützowplatz / Studiogalerie
a.i.p. project - artists in progress
a|e Galerie - Fotografie und zeitgenössische Kunst
Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin
Galerie Parterre