12 Uhr: Lesung, Film, Happening mit Kerstin Hensel & Karin Sander (Begrüßung), u.a. Akademie der Künste | Pariser Platz 4 | 10117 Berlin
Nach einigen Jahren im Ausland kehrte Jörg Starke, Gründer der gleichnamigen Kunststiftung, unlängst nach Berlin zurück. Und hat jetzt Großes vor. Im Interview mit Frank Lassak spricht er über seine Zukunftspläne.
Frank Lassak: Herr Starke, noch bis Mitte Februar läuft im Löwenpalais, dem Domizil Ihrer Kunststiftung unweit des Grunewalds, die traditionelle Winterausstellung, in der Arbeiten von 120 Künsterinnen und Künstlern aus dem In- und Ausland zu sehen sind. Wie ist die Resonanz bisher?
Jörg Starke: Es gab sehr gutes Feedback – sowohl von den Künstlerinnen und Künstlern als auch von den Gästen. Die Eröffnung bot vor allem aufstrebenden Kunstschaffenden die Gelegenheit, Kontakte mit Galerien und Museen zu knüpfen. Und für die Stiftung selbst war es nach der Soloschau der ehemaligen Rebecca-Horn-Schülerin Zora Volantes im vergangenen Herbst sofort die zweite erfolgreiche Ausstellung. Ein guter Auftakt für 2025.
Lassak: Seit rund einem halben Jahr kümmern Sie sich wieder intensiver um den Standort Berlin und die hiesige Kunstszene. Was hat Sie dazu bewogen, aus Miami, wo Sie und Ihre Familie einige Jahre gelebt haben, hierher zurückzukehren?
Starke: Dafür gab es mehrere Gründe, in erster Linie familiäre. Zudem habe ich nach all den Jahren im Ausland ein wenig Heimweh nach Berlin verspürt. Und mir ist bewusst geworden, dass ich die Stiftung, die hier ihren Hauptstandort hat, viel besser managen kann, wenn ich selbst vor Ort bin. Das ist vielleicht vergleichbar mit einem guten Restaurant: Da finden es die Gäste auch besser, wenn der Besitzer ihnen persönlich guten Appetit wünscht.
Lassak: Das heißt, Sie wollen auch die früheren Kontakte etwa zu Hochschulen, Institutionen und Galerien reaktivieren, um die Stiftung in der hiesigen Kunstszene wieder sichtbarer zu machen?
Starke: Auf jeden Fall. Das steht ganz oben auf der Agenda für 2025/26. Zurzeit spreche ich bereits mit Institutionen, Galeristinnen und Galeristen sowie mit dem Landesverband Berliner Galerien, um zu eruieren, ob und wie wir zusammenarbeiten könnten. Zudem betreiben wir natürlich weiterhin die internationale Nachwuchsförderung: unser Residenzprogramm.
Lassak: Wie läuft das in Ihrer Stiftung ab? Können sich alle Künstlerinnen und Künstler dafür bewerben, oder gibt es Ausschlusskriterien?
Starke: Selbstverständlich können sich alle bewerben – aus dem In- und Ausland. Wobei wir den Schwerpunkt auf jene legen, die am Anfang der Karriere stehen. Die Auswahl treffen wir nach strengen künstlerischen Kriterien und schauen uns das Oeuvre der Bewerberinnen und Bewerbern sehr genau an. Wer angenommen wird, darüber entscheidet eine Jury, der ich auch selbst angehöre. Gefördert werden übrigens alle künstlerischen Genres: Malerei und Bildhauerei, Architektur und Design, Musik und Komposition, Performance, Installation, Konzeptkunst sowie Literatur und Neue Medien.
Lassak: Viele Jahre lang waren die Residenzen im Löwenpalais für die Teilnehmenden kostenlos. Das hat sich geändert, inzwischen müssen die Gäste für die Betriebskosten aufkommen.
Starke: So ist es – leider. Allerdings ist die Monatsmiete mit pauschal rund 400 Euro durchaus fair, denke ich. Für ein vergleichbar großes Wohnatelier würde man in Berlin derzeit zwischen 1.500 Euro und 2.000 Euro pro Monat hinblättern müssen, je nach Lage und Zustand der Räume. Wenn es gegangen wäre, hätten wir das Programm gern kostenlos fortgesetzt, aber aufgrund der jahrelangen Niedrigzins-Politik ist das Kapital der Stiftung nicht in dem Maße angewachsen, wie es dafür nötig gewesen wäre. Weil wir das Programm aber nicht beenden wollten, haben wir uns entschlossen, einen kleinen Obolus zu verlangen.
Lassak: Zum Residenzprogramm gehört auch die Verpflichtung, sich an einer Ausstellung im Löwenpalais zu beteiligen ...
Starke: ... und zwar im Idealfall mit Werken, die während des Aufenthalts bei uns entstanden sind. Das wird von den meisten Stipendiatinnen und Stipendiaten gut angenommen, Bislang gab es nur einmal Ärger mit einem Künstler aus den USA, der die Residenz wohl eher als Möglichkeit gesehen hatte, für wenig Geld ein paar Monate in Berlin leben und Party machen zu können.
Lassak: Apropos Partys – Sie vermieten das Löwenpalais auch an Privatleute, die dort zum Beispiel eine Hochzeit feiern wollen. Wie verträgt sich das mit der Idee der Kunststiftung – und mit der Kunst an den Wänden?
Starke: Im Schnitt haben wir pro Jahr rund 30 Fremdveranstaltungen im Haus. Die Einnahmen kommen in vollem Umfang der Stiftung zugute. Bislang gab es keine Kollisionen mit den Kunstwerken, die hier gezeigt werden. Falls aber jemand, der bei uns eine Veranstaltung machen möchte, auf die Idee käme, dass die Werke während des Events abgehängt werden müssten, kann er oder sie ohnehin gleich wieder gehen. Kunst hat im Löwenpalais die höchste Priorität.
Lassak: Wie macht sich das in diesem Jahr bemerkbar?
Starke: Für 2025 sind bislang zwei bis drei Solo- und ebenso viele Gruppenausstellungen geplant. Sicher stattfinden wird eine Schau mit Peter Schlangenbader. Einst einer der Jungen Wilden, der damals mit Salome und Elvira Bach zusammen ausgestellt wurde. Ein wenig Punk ist an ihm auch noch hängengeblieben, und das finde ich gut. Sogar sehr wichtig in der heutigen Zeit. Wenn man sich die Punk-Bewegung nämlich genauer anschaut, kann man sie nicht auf „no future“ oder ähnliche Parolen aus den 1980er Jahren reduzieren, sondern muss sie als Ausdruck der Gesellschaftskritik akzeptieren. Und natürlich als Lebenseinstellung ...
Lassak: ... die heute allerdings kaum noch zu finden ist.
Starke: Das stimmt wohl. Der neoliberale Kapitalismus hat die Straßen gründlich gefegt. Aber es gibt sie noch, diese Subkultur. Zurzeit sind wir gerade dabei, Johnny Rotten, damals bei den Sex Pistols, zu überzeugen, anlässlich der Schlangenbader-Ausstellung nach Berlin zu kommen und im Löwenpalais aufzutreten.
Lassak: Ein Punk-Revival im Grunewald?
Starke: Warum nicht!? Ich erinnere mich noch gut daran, wie viel Interesse es gab, als wir vor vielen Jahren Vivienne Westwood nach Berlin geholt hatten. Die Leute waren begeistert ...
Lassak: Als Nachwuchskünstler geht Peter Schlangenbader allerdings nicht mehr durch.
Starke: Das ist ja kein Grund, ihn zu vergessen. Die Stiftung ist nicht ausschließlich für die Nachwuchsförderung da. In der Vergangenheit hatten wir des Öfteren namhafte Künstlerinnen und Künstler zu Gast. Etwa Yoko Ono mit ihrer Installation „Freight Train“, die damit ein Comeback feierte und anschließend im MoMA in New York gezeigt wurde, oder auch die spanische Malerin Amparo Sard, deren Arbeiten mittlerweile im MoMA und im Guggenheim Museum in New York hängen.
Lassak: Und wen zaubern Sie 2025 noch aus dem Hut?
Starke: Neulich habe ich Jonas Hödicke besucht und bin seither von seinen Skulpturen begeistert. Mit ihm planen wir ebenfalls eine Soloschau dieses Jahr.
Lassak: Der Sohn des im vorigen Jahr verstorben Malers Karl Horst Hödicke?
Starke: Genau. Jonas geht es übrigens ein wenig wie vielen anderen Söhnen oder Töchtern bekannter Künstlerinnen und Künstler: Sie stehen oft im Schatten ihrer berühmten Eltern. Dabei sind seine Arbeiten phänomenal.
Lassak: Läuft das dann unter Nachwuchsförderung?
Starke: Nein, unter Kunst. Es ist etwas verkrampft, wenn man für alles Etiketten oder – noch schlimmer – gute Gründe braucht.
Lassak: Viele Galeristen sehen das anders und richten ihre Programme entsprechend aus.
Starke: Als Geschäftsleute müssen sie das tun. Mir geht es hingegen darum, im Löwenpalais in erster Linie herausragende, mitunter andernorts übersehene Kunst zu zeigen. Die muss nicht, kann aber durchaus kommerziell erfolgreich sein. Denn die Kunstschaffenden müssen von ihrer Arbeit leben können.
Lassak: Was gerade in der heutigen Zeit, letztlich auch in Berlin, angesichts der für dieses und das kommende Jahr geltenden Kürzungen des Kulturhaushalts, immer schwieriger wird.
Starke: Die deutsche Kunstszene lebt in dieser Hinsicht leider hinter dem Mond.
Lassak: Inwiefern?
Starke: Die Töpfe für öffentliche Gelder sind hierzulande immer weniger gefüllt, während die Liste der Leute, die Förderanträge stellen, immer länger wird. Diese Entwicklung hat sich seit Jahren abgezeichnet. Doch anstatt aktiv etwas zu unternehmen und andere Finanzierungsmöglichkeiten aufzutun, haben sich viele Institutionen, Künstlerinnen und Künstler lange darauf verlassen, dass sich die Situation wieder verbessert.
Lassak: Was wäre die Alternative (gewesen)?
Starke: Die drei Jahre, die ich in den USA verbrachte, haben mir gezeigt, dass dort die Verantwortung für das Wohlergehen von Kunstschaffenden und -institutionen viel größer ist – und vor allem viel mehr in der Corporate Culture großer Unternehmen beziehungsweise im Bewusstsein vermögender Privatleute verankert ist als bei uns. Dort geht es weniger um Statussymbole – wie etwa die G-Klasse auf dem Kudamm oder den Lambo auf der Kö in Düsseldorf –, sondern mehr um das Image, das Ansehen in der Gesellschaft. Kunst und Kultur sowie deren Förderung sind die Dinge, auf die es dort ankommt. Luxusautos sind passé oder vergammeln in den Garagen. Aber ein Museum fördern oder auch Werke aufstrebender Künstler und Künstlerinnen zu erwerben – das sind die Taten, die wirklich zählen. Und das bereits seit vielen Jahren, wenn nicht Jahrzehnten.
Lassak: Brauchen wir also eine Kulturwende?
Starke: Unbedingt! Unternehmen und vermögende Personen müssen sich künftig wesentlich mehr für Kultur und Kunst starkmachen. Finanziell und als Fürsprecher. Ich erinnere mich an einen Essay von Markus Lüpertz, worin es sinngemäß hieß: „Künstler müssen verwöhnt werden, damit sie in Saus und Braus leben und ihren Geist frei entwickeln können.“ Ich denke, das sollten wir uns alle zu Herzen nehmen. Ob das Engagement für die Kunst nun in Form von Ankäufen, Stiftungen oder via Sponsoring geschieht, ist unerheblich. Wichtig ist, dass es passiert.
Titel zum Thema Interview:
Kunst hat im Löwenpalais die höchste Priorität
Interview: Nach einigen Jahren im Ausland kehrte Jörg Starke, Gründer der gleichnamigen Kunststiftung, unlängst nach Berlin zurück. Und hat jetzt Großes vor. Im Interview mit Frank Lassak spricht er über seine Zukunftspläne.
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