logo art-in-berlin.de
Berlin Daily 25.04.2025
Performance: Agata Siniarska: null&void

20 Uhr: Hochzeitssaal, Keine Sprache, Ca. 50 Min. Sophiensæle | Sophienstraße 18, 10178 Berlin

Imaginierte Sehnsuchtsorte. Die Künstlerin Rubica von Streng im Interview.

von chk (23.07.2024)
vorher Abb. Imaginierte Sehnsuchtsorte. Die Künstlerin Rubica von Streng im Interview.

Rubica von Streng in ihrem Showroom, © Efacts Photography 2024

Noch bis 28.7.2024 zeigt die Berliner Künstlerin Rubica von Streng in der Kunsthalle Brennabor die Ausstellung „PortLand – Anatomie der Zukunft“ in Brandenburg an der Havel.

INTERVIEW

Carola Hartlieb-Kühn: Liebe Rubica von Streng, Sie zeigen in der Kunsthalle Brennabor 50 Arbeiten aus Ihrem umfangreichen Werkzyklus PortLand. Wie kam die Auswahl zustande?

Rubica von Streng: Als ich die Ausstellung plante, wurde mir schnell klar, dass ich Arbeiten aus allen drei bisherigen PortLand-Werkserien – Towards PortLand, Limits of PortLand und Beyond PortLand – zeigen wollte. Von 2018, als ich mit dem Zyklus begann, bis heute haben sich einige Aspekte und Schwerpunkte verändert. PortLand ist in den vergangenen sechs Jahren nicht nur viel umfangreicher geworden, ich habe es auch inhaltlich erweitert. Und natürlich nehmen später entstandene Werke mitunter Bezug auf frühere Arbeiten des Zyklus – oder korrespondieren miteinander. Daraus ergeben sich spannende Dialoge zwischen den Bildern, die ich aufgrund der Besonderheiten des Ausstellungsortes so an die Wände hängen konnte, dass das Publikum diese Beziehungen eventuell nachvollziehen kann. Die Arbeiten sind daher nicht chronologisch geordnet. In Brennabor ist zudem erstmals die Werkgruppe PortLand in Umbria zu sehen. Die vier daraus gezeigten Malereien verorten PortLand in einer bekannten Region in Italien, was nicht zuletzt in der Farbgebung der Werke zum Ausdruck kommt.
Die Kunsthalle Brennabor bietet aufgrund ihrer großzügigen Raumarchitektur viele Möglichkeiten. Ich bin sehr beeindruckt von dem Ort. Anfangs stellte die Anordnung der Stellwände dennoch eine Herausforderung dar. Ich bin Wand für Wand vorgegangen und musste darauf achten, dass die Ausstellungsgäste die Möglichkeit haben, sich auf die Werke einzulassen. Das ist das Besondere an der Kunsthalle: Dank der Raumaufteilung können Besucherinnen und Besucher lange vor den Werken verweilen und sie auf sich wirken lassen

Carola Hartlieb-Kühn: Immer wieder setzen Sie sich in Ihrer Malerei mit Themen der Gegenwart auseinander. Gibt es eine übergreifende Thematik, die PortLand zugrundeliegt?

Rubica von Streng: In PortLand kommen diverse Themen zum Ausdruck, die zum einen mit den aktuellen Zuständen auf unserem Planeten zu tun haben, zum anderen das generelle Verhältnis von Mensch und Natur in Form von mal mehr, mal weniger abstrakten Malereien beschreiben. Wer sich mit den Bildern eingehend befasst, wird erkennen, dass ich gelegentlich das Stilmittel der Allegorie einsetze. Es ist nicht die Aufgabe der Kunst, für alles die passenden Lösungen unmittelbar sichtbar zu präsentieren.
Doch zurück zu Ihrer Frage nach dem übergreifenden Thema: PortLand setzt sich aus den Begriffen Porträt und Landschaft zusammen. Das Kunstwort steht aber für viel mehr als nur das Verschmelzen zweier Gattungen der Malerei. Es ist eine Art imaginärer Sehnsuchtsort – also nicht im geografischen, sondern eher im zivilisationstheoretischen Sinn. Die definierte Tragweite des Zyklus kann in unterschiedlichen Maßstäben betrachtet werden. Makroskopisch geht es um irdische Gesamtzusammenhänge, mikroskopisch um Materiezustände, im subatomaren Bereich womöglich um Quantenfelder. Wie tief man einsteigt, entscheiden die Betrachterinnen und Betrachter selbst.

Carola Hartlieb-Kühn: PortLand umfasst mittlerweile mehr als 100 Gemälde und eine Skulptur. Wie hat sich Ihre künstlerische Vision im Laufe der Entstehung dieses umfangreichen Werkzyklus entwickelt?

Rubica von Streng: Wenn man so will, vom Groben zum Feinen. Vom Greifbaren zum Möglichen – und zum Postulat: also zu der Annahme, dass das in meinem Kopf entstehende Bild dessen, was ich auf die Leinwand oder aufs Papier bringen will, mir um so deutlicher vorschwebt, je tiefer ich in die Gesetzmäßigkeiten von PortLand eindringe und je besser ich die Struktur dieses imaginierten, aber nicht unmöglichen Ortes verstehe. Da schwingt vielleicht ein Quäntchen von Schopenhauers Ideen zur Kausalität mit – insofern, dass dem Ergebnis, also dem Bild, eine konkrete Ursache vorausging. Für mich liegt diese Ursache im Erkennen von Zusammenhängen; es ist ein kognitiver Vorgang, der intensive Recherchen erfordert. Hinzu kommt, dass die späteren mehr als die früheren Malereien des Zyklus auch Stimmungen abbilden – Stimmungen der Zeit. Um diese Bilddimension umsetzen zu können, habe ich meine Maltechnik noch einmal weiterentwickelt.

Responsive image
Intruders, Öl auf Leinwand, 110 x 90 cm, 2023, © Rubica von Streng/Efacts Photography

Carola Hartlieb-Kühn: Apropos Maltechnik: Beim Betrachten Ihrer Bilder fällt die ungeheure Transparenz der Farbschichten ins Auge, was unweigerlich zu der Frage führt, wie das gemacht ist. Sie selbst haben dafür den Begriff der Arpeggio-Maltechnik geprägt. Könnten Sie das näher erklären?

Rubica von Streng: Stellen Sie sich einen Arpeggio-Akkord vor: Die Töne erklingen unmittelbar nacheinander, sind also einzeln hörbar, ergeben aber einen Zusammenklang. Mithilfe der Arpeggio-Maltechnik, bei der ich Ölfarbe in hauchdünnen Schichten über- und nacheinander auftrage, gelingt es mir, alle Farben und Formen des Gemäldes miteinander in Bezug zu setzen. Dadurch klingen sie zusammen – aber auch jede einzelne Schicht behält ihren eigenen Klang. Die Technik erfordert ein hohes Maß an Präzision und kostet viel Zeit. Bisweilen male ich daher etliche Monate an einem Bild.
Im Zuge der Arbeit an der Serie Beyond PortLand habe ich die Technik noch verfeinert, weil es, wie oben gesagt, wichtig wurde, Stimmungen der Zeit in den Werken auszudrücken. Einige der Arbeiten sind so beschaffen, dass deren Farben je nach Tageszeit anders wahrgenommen werden. Das ist physikalisch erklärbar – und mittlerweile kann ich diese Wirkung dank der speziellen Maltechnik ganz gezielt erzeugen.

Carola Hartlieb-Kühn: Die Farbgebung spielt in Ihrer Malerei eine entscheidende Rolle. Was zeichnet die Farbgebung in PortLand im Vergleich zu anderen Werkzyklen von Ihnen aus?

Rubica von Streng: Die Farben sind, verglichen etwa mit dem Totentanz-Zyklus, den ich vor PortLand gemalt hatte, bedeutend vielfältiger. Ich habe im weitesten Sinne Farben gewählt, die in der Natur vorkommen und die mir besondere Impulse geben, etwa infolge ausgiebiger Naturbeobachtungen. Allerdings habe ich auf die Farbe Grün in PortLand weitgehend verzichtet. Sie ergibt sich in den Bildern allenfalls aus übereinanderliegenden, transparenten Farbschichten (blau und gelb).

Carola Hartlieb-Kühn: Der Ausstellungstitel setzt sich aus zwei Teilen zusammen: Portland – Anatomie der Zukunft. Was genau verstehen Sie unter Anatomie der Zukunft? Und wie spiegelt sich das im Ausstellungskonzept wider?

Rubica von Streng: Was darunter zu verstehen ist, liegt auch im Ermessen der Betrachterinnen und Betrachter. Bereits auf den ersten Blick wird jedoch klar, dass sich das Antlitz unseres Planeten in den Bildern verändert hat: Klimakrise und Kriege fordern ihren Tribut – üppige Landschaften verwandeln sich in rotglühende Wüsten, Flüsse treten über die Ufer, Städte versinken, Gletscher schmelzen, Arten sterben aus. Gleichwohl verbreiten die Gemälde keine dystopische Stimmung. Im Gegenteil. Sie weisen den Weg in eine Zukunft, in der es sich anders leben wird als heute: bewusster, nachhaltiger und im Einklang mit der Natur. Neben den Malereien zeige ich auch die Skulptur „Shelter“: Das ist ein vom Original abgeformter, anschließend aus Gips modellierter und mit Ölfarben bemalter Schildkrötenpanzer, der als Mahnmal fungiert und zugleich einen Schutzraum symbolisiert. In der Ausstellung bitte ich die Besucherinnen und Besucher, sich darüber Gedanken zu machen und auf einem Zettel zu notieren, was ihrer Meinung nach besonders schützenswert ist. Wenn die Ausstellung beendet ist, werde ich diese Aussagen auswerten.

Responsive image
Musing, Öl auf Leinwand, 200 x 185 cm, 2019, © Rubica von Streng/Efacts Photography

Carola Hartlieb-Kühn: Neben Malerei und gelegentlich Skulptur arbeiten Sie vereinzelt auch mit anderen Medien wie Film. Mich würde besonders interessieren, wie es dazu kam, dass Sie den Kurzfilm „An End to Jealousy“ produziert haben. Was ist das Thema des Films?

Rubica von Streng: Der Film, der auch in der Ausstellung in Brandenburg gezeigt wird, gehört zu dem internationalen Projekt „An End to Jealousy“, an dessen Produktion außer mir ein Fotograf und Drehbuchautor sowie diverse Schauspielerinnen und Schauspieler aus mehreren Ländern beteiligt waren. Er wurde 2019 in Italien gedreht und im Jahr darauf in Berlin editiert. Für mich war es eine großartige Erfahrung, an dem Projekt sowohl als Malerin und Darstellerin als auch als Co-Produzentin und Co-Regisseurin mitzuwirken. Im Film wie im Projekt an sich geht es um das zutiefst menschliche Thema des unfreiwilligen Entliebens – also ums Loslassenkönnen und -müssen. Ohne zu spoilern: Die Konstellation der Figuren ist so ungewöhnlich wie die angedeutete Lösung des Problems, die aber am Ende offen bleibt, sodass das Publikum seine eigenen Schlüsse ziehen kann. Zurzeit finden Verhandlungen mit Institutionen statt, in denen das Gesamtprojekt gezeigt werden könnte, zu dem neben dem Film acht Gemälde, 15 Zeichnungen und 40 Fotografien gehören.

Carola Hartlieb-Kühn: Wie fügt sich der Film in Ihren künstlerischen Gesamtkontext ein? Oder beschreiten Sie hier völlig neue Wege?

Rubica von Streng: Die Arbeit an An End to Jealousy war projektbasiert und zeitlich begrenzt. Ob ich das Medium Film künftig künstlerisch einsetzen werde, darüber habe ich mir bisher keine Gedanken gemacht. Vorerst aber wohl nicht. Da haben andere Dinge Priorität.

Carola Hartlieb-Kühn: Woran arbeiten Sie aktuell, und was sind Ihre nächsten künstlerischen Pläne und Projekte?

Rubica von Streng: Schon bevor ich die Werkserie Beyond PortLand Ende 2023 abgeschlossen hatte, war klar, dass ich den Zyklus fortsetzen werde. Die ersten vier Arbeiten des vierten Teils sind bereits fertig. Mehr möchte ich darüber aber noch nicht verraten, höchstens so viel: Es geht um Ewigkeit in Wandlung.

PortLand – Anatomie der Zukunft: Rubica von Streng
in der Kunsthalle Brennabor
Finissage am 28.7., ab 14 Uhr

Buch- und Editionsvorstellung mit musikalischem Rahmenprogramm
in der Galerie Tammen am 25.7., ab 19 Uhr

KUNSTHALLE BRENNABOR
Geschwister-Scholl-Straße 12
14776 Brandenburg an der Havel
www.freunde-kunsthalle-brennabor.com

chk

weitere Artikel von chk

Newsletter bestellen




top

Titel zum Thema Interview:

Kunst hat im Löwenpalais die höchste Priorität
Interview: Nach einigen Jahren im Ausland kehrte Jörg Starke, Gründer der gleichnamigen Kunststiftung, unlängst nach Berlin zurück. Und hat jetzt Großes vor. Im Interview mit Frank Lassak spricht er über seine Zukunftspläne.

Unsere interessantesten Interviews 2024
Eine Auswahl

Irgendwie durchhangeln
Gastbeitrag: Frank Lassak sprach mit Dirk Förster, Geschäftsführung der Kulturraum Berlin gGmbH (KRB), über den Kampf um die Kulturförderung.

Zeitgenössische Kunst im Krankenhaus. Macht das Sinn?
Gespräch: Wir sprachen mit der Kunstwissenschaftlerin, Kritikerin und Kuratorin Anne Marie Freybourg über ihre Erfahrungen mit zeitgenössischer Kunst im Kontext von Gesundheit, Kranksein und Heilung.

Imaginierte Sehnsuchtsorte. Die Künstlerin Rubica von Streng im Interview.


"Heimat: ein universelles und zugleich persönliches Konzept"
In einer temporären Galerie unweit des Bahnhofs Gesundbrunnen zeigen 40 Künstler:innen aus aller Welt vom 1.-12.6. ihre Positionen zu kultureller Identität und Zugehörigkeit. Frank Lassak sprach mit Kuratorin Georgina Magklara über die Ausstellungsidee. (Gastbeitrag)

Der Akt wird zur Akteurin
Gastbeitrag: Frank Lassak sprach mit der Künstlerin Stephanie Pech über ihre Ausstellung im Kunsthaus Potsdam und ihre Performance „Hybrid Moves“.

Bettina Hutschek: Snake Chronicles
Gastbeitrag: Ein Gespräch der Kuratorin und Kunstwissenschaftlerin Verena Voigt mit der Künstlerin Bettina Hutschek über Mythen und Misogynie anlässlich ihrer Teilnahme an der maltabiennale.art 2024

Artist Talk zum Weltfrauenmonat
Gastbeitrag: Ein Interview von Frank Lassak mit der Künstlerin Rubica von Streng und der Galeristin Sara Lily Perez.

"American Pop Culture Is Black Culture"
Die Ausstellung ULYSSES JENKINS: WITHOUT YOUR INTERPRETATION in der Julia Stoschek Collection endet am Sonntag (30.7.). Ein aufschlussreiches Interview führte Hanna Komornitzyk mit der Co-Kuratorin Meg Onli.

Die Stimmungen der Zeit festhalten. Die Künstlerin Rubica von Streng im Interview.
Die Stimmungen der Zeit festzuhalten, erweist sich gerade bei einer so facettenreichen Gesellschaft wie der des 21. Jahrhunderts als sehr komplex. Ich arbeite deshalb auch gern mit Fragmenten. (Rubica von Streng)

COMM: Das Pop-up Büro fürs Museum
Im Interview Maximilian Wahlich mit Carolina Hanke und Fee Wedepohl von COMM: Das Pop-up Büro fürs Museum

Im Gespräch mit dem Fotografen Volker Hagemann
Volker Hagemanns Arbeiten greifen Phänomene der Alltagskultur im Kontext kulturgeschichtlicher Prägung auf. Seine Fotografie steht fast immer im Kontext aktueller Diskurse (Medientheorie, Raumtheorie); ebenso wichtig sind ihm die ästhetische Dimension und eine intuitive Lesbarkeit.

Der Raum als leeres Blatt Papier
Interview: Ferial Nadja Karrasch im Gespräch von mit der Künstlerin Akane Kimbara.

„Es gibt in der Kunst keine eindeutigen Antworten.“
Ein Gespräch mit der Künstlerin Clara Brörmann.

top

zur Startseite

Anzeige
artspring berlin 2024

Anzeige
artspring berlin 2024

Anzeige
artspring berlin 2024

Anzeige
Rubica von Streng

Anzeige
Responsive image

Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
Stiftung Kunstforum Berliner Volksbank




Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
neurotitan




Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
Haus am Lützowplatz




Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
station urbaner kulturen/nGbK Hellersdorf




Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
Kunstbrücke am Wildenbruch




© 1999 - 2023, art-in-berlin.de Kunstagentur Thomessen Hartlieb-Kühn GbR.