Im Rahmen der Berlin Art Week laden die Galerien des Gallery Weekend Berlin am Freitagabend zur Gallery Night mit verlängerten Öffnungszeiten ein. Wer teilnimmt, siehe Website ...
Im Kunsthaus Potsdam lässt Stephanie Pech Malerei und Tanz eine Symbiose eingehen. Vor Beginn der Ausstellung „Hybrid Moves“, die bis zum 23. Juni zu sehen ist, schufen zwei Tänzerinnen mit Abdrücken ihrer bemalten Körper auf einer Leinwand die Basis eines Monumentalwerks, das Pech anschließend vor Publikum vollendete. Ein Video dokumentiert die Malperformance. Frank Lassak sprach mit der Künstlerin über das außergewöhnliche Konzept.
Frank Lassak: Was hat Sie zu diesem Projekt bewegt, Frau Pech?
Stephanie Pech: Schon seit einigen Jahren beschäftige ich mich in der Malerei mit Körperabdrücken. Der menschliche Akt wird dabei zur Akteurin und nimmt direkt Einfluss auf die Bildkomposition. Anstatt passiv Modell zu stehen und sich von mir abmalen zu lassen, werden die Menschen zu aktiven Mitgestaltenden. Als ich voriges Jahr den Katalog zu meiner Ausstellung „Floating Strangers“ produzierte, wurde mir klar, dass ich nicht nur die Endprodukte des Malprozesses zeigen könnte, sondern auch den Prozess selbst. So formte sich die Idee, die Arbeit der Modelle, die bis dahin stets abgeschirmt von der Öffentlichkeit in meinem Atelier stattfand, in Form einer Performance zu präsentieren, sodass das Publikum die Entstehung nachvollziehen kann.
Frank Lassak: Wie gingen Sie dabei vor?
Stephanie Pech: Gemeinsam mit den Tänzerinnen Arianna di Palma und Finja Kelpe hatte ich zur Musik von Mirna Bogdanovic eine Choreografie entwickelt. Anschließend probten wir zwei Tage im Kunsthaus, und am dritten Tag fand die Performance statt. Dabei hinterließen die mit Farbe bedeckten Körper der Tänzerinnen Spuren auf der am Boden liegenden, vier mal neun Meter großen Leinwand.
Frank Lassak: Ursprünglich wollten Sie den Malprozess live vor Publikum zeigen. Warum haben Sie sich stattdessen für eine Videoaufzeichnung entschieden?
Stephanie Pech: Vor allem aus Platzgründen. Der Raum im Kunsthaus ist nicht groß genug, um eine solche Performance vor Publikum laufen zu lassen. Sie im Video zu zeigen, erschien mir passender. Zudem bewegten sich die Tänzerinnen nackt, also ungeschützt. Das Video fungiert insofern auch als Schutzraum. Hinzu kommt, dass künstlerische Nacktheit es in Zeiten von Social Media zunehmend schwerer hat. Im Vorfeld der Produktion hatten wir sogar überlegt, ob die Tänzerinnen eventuell Bodysuits tragen könnten. Letztlich hat sich aber die Auffassung durchgesetzt, dass wir die Kunst nicht social-media-tauglich machen wollten – auch weil das meiner künstlerischen Idee widersprochen hätte. Denn es geht mir in dieser Arbeit – wie in vielen anderen – um Nähe, um Berührung, um ungefilterte, natürliche Spuren, die Menschen auf der Leinwand hinterlassen.
Frank Lassak: Auch wenn die Performance choreografiert war: Bewegungen können immer mal anders erfolgen als geplant. Welchen Stellenwert hatte der Zufall?
Stephanie Pech: Der Zufall spielte eine große Rolle. Denn nicht alle Körperabdrücke ließen sich im Vorhinein planen. Das finde ich durchaus spannend: mich als Künstlerin darauf einzulassen, dass mich die Spuren der Tänzerinnen überraschen und ich darauf reagieren muss. Bei der Probe hatten die beiden übrigens ganz andere Abdrücke hinterlassen.
Frank Lassak: Wie verträgt sich diese Arbeitsweise mit Ihrem eher analytischen, geordneten Ansatz?
Stephanie Pech: Ich wollte bewusst in einen solchen Zufallsprozess hineingeraten, den ich nur bedingt steuern kann. Aus diesen Malspuren und Farbschlieren heraus etwas malerisch weiterzuentwickeln und einen Kontrapunkt zu den vagen Formen mit Setzungen und klaren Formen und Präzisionen zu bilden, reizt mich sehr. Ich habe nach der Malperformance dann doch noch etliche Tage an der Leinwand gearbeitet. Selbst bei der Eröffnung war das Werk noch nicht ganz vollendet.
Frank Lassak: Die Eröffnungsgäste haben ein work in progress gesehen?
Stephanie Pech: Ja, genau. Das war so geplant. Inzwischen ist es allerdings fertiggestellt.
Frank Lassak: Welche Malmittel haben Sie bei dem Projekt verwendet?
Stephanie Pech: Bei den Körperbemalungen kamen wasserlösliche, hautverträgliche Acrylfarben zum Einsatz. Die Leinwand hatte ich vor der Performance partiell mit Tusche und vorgefertigten Cut-outs präpariert, um ein kompositorisches Gerüst zu schaffen. Das war wichtig, zumal eben die Bewegungen der Tänzerinnen nicht zu 100 Prozent planbar waren. Mit diesem Gerüst wollte ich sicherstellen, dass das Bild am Ende trotzdem so funktioniert, wie ich es mir vorstellte. Während des Malprozesses stieß ich einige Male auf die Frage: „Soll ich hier intervenieren, also die Körperarbeit der Künstlerinnen nachträglich modifizieren und ihre Spuren verändern?“ Und auch während der Performance bekamen die Tänzerinnen – allerdings nur wenige – Regieanweisungen von mir.
Frank Lassak: Also kein rein aleatorisches Werk, sondern eher eine Melange aus Body Art, Figuration und Abstraktion?
Stephanie Pech: So kann man es vielleicht bezeichnen. Wobei für mich die Anthropometrie, also die künstlerische Arbeit mit dem Körper als Malwerkzeug, im Vordergrund steht. Ob dabei letztlich Figuration oder Abstraktion die Oberhand gewinnen, lege ich nicht von vornherein fest. Vieles ergibt sich tatsächlich erst im Prozess. Insofern spielt die Zufallskomponente schon eine Rolle.
Frank Lassak: Haben Sie bei der Arbeit an diesem Projekt eine neue künstlerische Ausdrucksform für sich entdeckt?
Stephanie Pech: Auf jeden Fall habe ich mein Oeuvre dadurch weiterentwickelt. Ich kann mir vorstellen, diese Arbeitsweise in zukünftigen Projekten zu wiederholen.
Frank Lassak: In der Berliner Galerie Tammen zeigen Sie vom 25. Mai bis 6. Juli unter dem Titel „Figure it out“ gemeinsam mit Sonja Edle von Hoeßle, die zu der Schau eine Anzahl ihrer Skulpturen beisteuert, dann aber ausschließlich Figuratives. Ist das Ihr eigentlicher Schwerpunkt?
Stephanie Pech: Zumindest ist das oft der Ausgangspunkt im Malprozess. Es kommt aber immer wieder vor, dass sich aus der Figur etwas Abstraktes ergibt. Da fließen dann Texturen und Flächen mit Konturen zusammen, vermischen sich. Doch der anthropomorphe Kern meiner Arbeiten ist nicht übersehbar. Die Figuration ist sicherlich mein Element, aber ich scheue nicht davor zurück, mich in anderen Gattungen zu bewegen. Im Gegenteil: Das Experimentieren macht mir viel Freude.
Kunsthaus Potsdam
kvkhpotsdam.de
Stephanie Pech: „Hybrid Moves“
12. Mai – 23. Juni 2024
Galerie Tammen
www.galerie-tammen.de
Stephanie Pech, Sonja Edle von Hoeßle: „Figure it out“
25. Mai – 6. Juli 2024
Titel zum Thema Interview:
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Gastbeitrag: Frank Lassak sprach mit der Künstlerin Stephanie Pech über ihre Ausstellung im Kunsthaus Potsdam und ihre Performance „Hybrid Moves“.
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