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Berlin Daily 27.04.2024
Ausstellung Melting Mountains: Vortrag+Gespräch

17 Uhr: mit Theresa Schubert (Künstlerin) und Ingeborg Reichle (Kunsthistorikerin / Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam). Projektraum MEINBLAU, Christinenstr. 18-19, 10119 Berlin

Zur aquamediale 15: Im Gespräch mit der Künstlerin Doris Leuschner

von chk (25.07.2023)
vorher Abb. Zur aquamediale 15: Im Gespräch mit der Künstlerin Doris Leuschner

Doris Leuschner, und oder entweder? | What do you think? (Detail), 2023, Foto: FRAMERATE MEDIA / Förderverein aquamediale e.V.

Die aquamediale ist ein jährlich stattfindendes internationales Festival für zeitgenössische Kunst im Spreewald. Das Spreewalddorf Schlepzig bildet dabei den Ausgangspunkt für künstlerische Interventionen, die sich immer wieder mit hochaktuellen Themen unserer Zeit beschäftigen. So zum Beispiel die aquamediale 13, die sich unter dem Motto „Spreeland trifft ...“ mit Fragen der Globalisierung auseinandersetzte. In diesem Jahr lautet das Thema »UNART NATUR - Mensch prokontra Natur«. Aus einem Open Call heraus bewarben sich 123 Künstler*innen aus 16 Nationen, 10 wurden für die aquamediale 15 ausgewählt. In Zusammenarbeit mit dem Kurator Harald Larisch werden nun die Kunstwerke vor Ort realisiert.

Doris Leuschner ist Bildhauerin, sie hat Fotodesign und Neue Medien an der FH Bielefeld studiert und darüber hinaus eine Ausbildung zur Lithografin und Bildhauerin absolviert. Sie lebt in einem alten Dünenhof in Dänemark in der Nähe von Hvide Sande. In ihrer künstlerischen Arbeit beschäftigt sich Doris Leuschner mit dem Wasser und seiner Einzigartigkeit als Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen. Dabei unternimmt die Künstlerin, wie sie sagt “eine Gratwanderung zwischen Bekannten und Unbekannten”, um neue Perspektiven zu eröffnen.

Interview

Carola Hartlieb-Kühn: Bei vielen Ihrer Arbeiten, hat man den Eindruck, Sie zitieren die Natur, ohne sie unmittelbar nachzuahmen. Stimmt dieser Eindruck?

Doris Leuschner: Die Einzigartigkeit der Natur ist die absolute Basis meiner künstlerischen Arbeit. In den letzten 15 Jahren hat sich mein Fokus besonders stark auf den Lebensraum Wasser/Meer und die Lebensformen, die dort anzutreffen sind, konzentriert.
Ich versuche, durch die Formensprache und die Farb- und Materialwahl eine Art „Übersetzung“ für die Fragilität, die Lebendigkeit aber auch für die Bedrohung des Lebensraumes MEER zu finden.
Viele Lebensformen im Wasser, die mich inspirieren, sind mit bloßem Auge kaum zu erkennen und lassen sich im Detail nur mit der Lupe oder dem Mikroskop betrachten (z. B. Zooplankton). Mich reizt es, diese Lebensformen für den Menschen sichtbar zu machen, indem ich sie in einem natürlichen Material in Übergröße nachempfinde. Neben der Sichtbarmachung erhalten sie dadurch eine große Aufmerksamkeit und ihre Bedeutung im Beziehungsgefüge mit anderen Lebewesen wird hervorgehoben. (z. B. Nahrungskette, Symbiosen etc.)

CHK: Wie gehen Sie vor?

DL: Viele meiner Skulpturen entwickele ich aus den Seherfahrungen und Beobachtungen, die ich bei meinen unzähligen Tauchgängen gemacht habe. Die verborgene Formenvielfalt von Korallen, Meerestieren, Pflanzen etc. bietet mir eine unerschöpfliche Inspirationsquelle für meine Skulpturen. Mein Ziel ist es, daraus neue, lebendige Formen und Wesen zu schaffen, die die Betrachter*innen sofort ans Meer denken lassen und für die Probleme dieses Biotops sensibilisieren.

CHK: Sie verwenden verschiedene Materialien, u.a. Porzellan, Ton oder Bambus für Ihre Skulpturen. Für Ihr aktuelles Werk “und oder entweder? What do you think?” bildet Kupfer das maßgebliche Material. Welche Bedeutung hat Kupfer für Sie?

DL: In meinen Arbeiten geht es mir nicht um das Metall „Kupfer“ im Allgemeinen, sondern vielmehr um die daraus hergestellten Kupferdrähte und -kabel sowie deren Funktionalität, die für meine Arbeiten wichtig sind.
Kupferkabel sind in unserer Industriegesellschaft elementar für die Übertragung von Energie und Daten (Informationen). Auch wenn inzwischen u. a. Glasfaserkabel zur Datenübertragung genutzt werden, sind Kupferkabel ein hervorragendes Symbol für Kommunikationsnetzwerke.

Bei einer Führung durch ein Unternehmen, das Kupferkabel herstellt, konnte ich den Aufbau eines Bordnetzes (Kabelbaumes) für die Automobilindustrie beobachten. Dies gab bei mir den Anstoß für die Verwendung von Kupferkabeln, da die physische Struktur eines Bordnetzes eine Parallele zu vielen biologischen Beziehungen und Netzwerken bildet.


Doris Leuschner, beim Aufbau von "und oder entweder? | What do you think?" (Detail), 2023, Foto: FRAMERATE MEDIA / Förderverein aquamediale e.V.

CHK: Spielt für Sie der Zufall bei den chemischen Veränderungsprozessen des Kupfers eine Rolle?

DL: Es reizt mich immer, verschiedene (Alltags-) Materialien scheinbar „zweckzuentfremden“ und sie in einem völlig anderen Kontext zu positionieren. In mir scheint ein kleiner "Daniel Düsentrieb" zu stecken, der immer auf der Suche nach neuen, ungewöhnlichen Materialien ist und damit experimentiert, sie in neuen Formen und Funktionen einzusetzen.

Beim Kupferkabel sorgt die Oxidation der Oberfläche dafür, dass sich die Skulptur oder Installation verändert und ein „Eigenleben“ entwickelt, das ich nicht vorherbestimmen kann und auf das ich im weiteren zeitlichen Verlauf keinen Einfluss mehr habe. Dadurch, dass ich verschiedene Sorten von Kupferkabeln zerlege und verarbeite, entsteht in der Skulptur etwas Neues. Ist sie am Anfang noch metallisch glänzend, oxidieren (je nach Herstellungsprozesses des Kabels) einige Kupferfasern schneller als andere oder gar nicht. Dieser Prozess verweist auf die Entwicklung der Natur (Evolution), die wir Menschen zwar beeinflussen, aber nie komplett steuern können.

CHK: Joseph Beuys verbindet mit Kupfer als energieleitendes Material die Vorstellung von Intuition und Kreativität. Gibt es hier eine Parallele?

DL: Ich bin keine Anhängerin von Joseph Beuys und seiner Kunst, da ich seine anthroposophischen Ansichten nicht teile. Ich fühle mich den Naturwissenschaften sehr verbunden und sehe im Kupfer eine Parallele zu uns als Wesen. Wir sind in unserem Dasein permanent äußeren Einflüssen ausgesetzt, die uns formen und verändern. Gleichzeitig kommunizieren wir aktiv mit unserer Umwelt, verbinden uns mit anderen und erweitern unseren Geist und unser soziales Umfeld.

CHK: Durch die Verbindung dünner, unendlich langer Kupferfäden entwerfen Sie eine Art “neuronales” Netzwerk” für die Natur, dessen Nervenbahnen durch Synapsen verbunden sind. Greifen Sie hier vergleichbare Strukturen aus der Kommunikation, der Technologie oder aus physiologischen Prozessen auf?

DL: Tatsächlich ähnelt der Aufbau der Installation stark einem neuronalen Netz. Durch diese Struktur verbindet sich die Natur auf der einen Seite des Kanals mit dem auf der gegenüberliegenden Seite stehenden Gebäude. Es scheint, als schaffe das Kupfernetz aus dem Kanal heraus eine Verbindung zwischen Mensch und Natur. Oder ist es genau umgekehrt? Vereinnahmt und zerstört das organische Myzel die menschliche Zivilisation und deren Errungenschaften? Findet gar eine (feindliche oder freundliche) Übernahme statt?
Mich hat vor vielen Jahren das Buch „Der Schwarm“ von Frank Schätzing stark beeindruckt. Der Gedanke, dass „einfache“ Lebewesen wie Einzeller ihr Wissen weitervererben und sich so zu mächtigen Gegnern des Menschen entwickeln können, hat mich sehr fasziniert. Die Evolution bringt erstaunliche Strategien hervor, um sämtliche Nischen besetzen zu können, und Schätzings Fiktion erscheint mir gar nicht so unrealistisch. (der Covid-Virus ist ein gutes Beispiel für die Macht von kleinsten Einheiten der Natur)

CHK: Welche Rolle spielen die Ökologie und der aktuelle Klimawandel in Ihren Projekten?

DL: Meine Arbeiten beziehen sich oft auf aktuelle Umweltprobleme. Themen wie Mikroplastik, Wasserverschmutzung, Überfischung, Korallenbleiche (Ozeanerwärmung) machen den größten Teil meiner Auseinandersetzung mit der Natur aus.


Doris Leuschner, und oder entweder? | What do you think? (Detail), 2023, Foto: Doris Leuschner

CHK: Gibt es einen Moment in der Arbeit “und oder entweder? What do you think?”, von dem Sie sagen würden, dass sich das nur hier vor Ort (also im Spreewald) entwickeln konnte?

DL: Für mich war es ein großer Glücksfall, diese Arbeit im Spreewald realisieren zu können. In diesem Biosphärenreservat spielt das Wasser eine große Rolle, und der Grenzgang zwischen Naturschutz und wirtschaftlichen Interessen spiegelt sich am Standort meiner Installation bestens wider: Der Kanal, durch den sich mein Geflecht zieht, trennt (oder verbindet?!) die Natur auf der einen Seite und die menschlichen Eingriffe (Gebäude, Straßen, Ortschaft) auf der anderen Seite.

CHK: Sie arbeiten häufig in Werkgruppen. Bildet “und oder entweder? What do you think?” den Beginn einer neuen Werkgruppe oder handelt es sich um ein abgeschlossenes Werk?

DL: Ich sehe die Installation „what do you think?“ als Teil meiner GENESIS-Werkgruppe, in der ich mich mit den evolutionären Entwicklungen in der Natur auseinandersetze. Egal, wie stark der Mensch in die Natur eingreift, die Evolution schafft es immer, dass sich die Natur anpasst und sich ihren Platz zurückerobert. Ein gutes Beispiel dafür sind verlassene Städte und Gebäude, die von Pflanzen und Tieren über kurz oder lang wieder besiedelt werden.

Weitere Informationen zu Doris Leuschner:
www.doris-leuschner.de

Weitere Infos zur aquamediale 15:
www.aquamediale.de
www.kuenstlerhaus-eisenhammer.de

chk

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