Zur aquamediale 15: Im Gespräch mit der Künstlerin Isabel Ott
von chk (30.09.2023)
Isabel Ott, Der Garten Öden – The Bleaky Garden of Eden (Detail), 2023, Foto: FRAMERATE MEDIA / Förderverein aquamediale e.V.
Isabel Ott hat an der UdK (ehemals HdK) in Berlin Bildhauerei studiert. Sie arbeitete u.a. als Szenenbildnerin im Bereich Film, Musik und Werbung. Als Künstlerin gibt sie den scheinbar wertlosen Dingen eine neue Bestimmung und erweckt ihre Fundstücke zu neuem Leben.
Interview
Carola Hartlieb-Kühn: Sie machen Skulpturen aus Müll. Wie sind Sie auf Müll als Thema und Material für Ihre Kunst gekommen?
Isabel Ott: Ich habe 1994 ein Auslandssemester an der Facultad de bellas artes in Bilbao/Spanien absolviert. Dort war ich oft am Strand, der vor Plastikmüll wimmelte. Mich faszinierten die Massen an Puppenbeinen, Flaschen, Bürsten, Kinderspielzeug, alten Schiffsplanken, Eimern, … alles mit einer Patina, die von einer langen Reise im Ozean zeugte. Ich sammelte das Zeug und baute daraus einen riesigen Fisch. Damals war die Verschmutzung der Meere und Strände noch kein Thema und ich wurde ziemlich schräg angeschaut, als ich mit meinem „Müll“ in die Uni kam. Seitdem bin ich dabei geblieben.
CHK: Entsteht Ihre Kunst aus einem ökologischen Bewusstsein heraus?
IO: Mittlerweile schon. Das Thema Müll in der Umwelt, Konsum und Überfluss umfasst ein weites Feld. Ich verwende fast nur gebrauchte Sachen. Sogar Draht und Schrauben habe ich viel aus Auflösungen und Restbeständen. Es freut mich immer, wenn ich jemanden beeindrucken kann, der auf einmal den Wert der Materialien erkennt und ein anderes Verhältnis zu „seinem Müll“ bekommt. Deshalb gebe ich auch Workshops und sehe es als meine Mission, die Wahrnehmung zu schärfen und das eigene Konsumverhalten zu überdenken.
Isabel Ott beim Aufbau von Der Garten Öden – The Bleaky Garden of Eden (Detail), 2023, Foto: FRAMERATE MEDIA / Förderverein aquamediale e.V.
CHK: Wie gehen Sie vor? Sammeln Sie Müll auf der Straße und lassen sich davon inspirieren oder steht am Anfang ein Konzept?
IO: Ich habe einen großen Fundus an Material (Müll), aus dem ich schöpfen kann und meine Idee verwirklichen kann. Ein strenges Konzept entspricht nicht meiner Arbeitsweise, und es würde auch meiner Ideologie im Wege stehen, das zu nutzen, was es schon gibt. Also halte ich die Augen offen nach dem geeigneten Material. Meistens findet der Müll mich und wir spielen zusammen.
CHK: Sie widmen sich in Ihrer Arbeit der Verschönerung der Welt, wie Sie sagen. Was meinen Sie damit?
IO: "Schön" ist natürlich immer Ansichtssache. Mir geht es eher darum, vermeintlich unschönen Dinge wieder zur Schönheit zu verhelfen, ihnen einen Platz in der Welt zu geben, sie wieder erstrahlen zu lassen. Man kann in allem und jedem etwas Schönes entdecken. Das möchte ich gern zeigen.
CHK: Muss sich die Kunst im Allgemeinen mehr mit Nachhaltigkeit beschäftigen?
IO: Nein. Kunst darf alles, auch verschwenderisch sein.
CHK: HA Schult, einer der Umweltkünstler der ersten Stunde, hat einmal erwähnt: "Auf dem Müll landet die Kehrseite des Wohlstands". Würden Sie dem zustimmen?
IO: Eigentlich ist es doch offensichtlich, dass die Müllmassen unserem Wohlstand entspringen. Der Müll ist nicht die Kehrseite, sondern die Folge des Wohlstands. Wir machen ihn zur Kehrseite, weil wir unseren Müll nicht mehr sehen. Wenn wir ihn entsorgen, ist er ja nicht wirklich verschwunden. Das Wegschauen ist das Problem.
CHK: Sie haben in Berlin das sogenannte World Trash Center gegründet? Können Sie uns etwas über diesen Ort und die Idee dahinter erzählen?
IO: Der Ort entstand 2018 als Zentrale und Reallabor unseres Kollektivs Planet Trash. Wir widmen uns der künstlerischen Auseinandersetzung mit Konsumverhalten und Wertschätzung und entwickeln Projekte. Und wir verkaufen hier handgemachte Produkte aus „Müll“. Damit wollen wir einen neuen Blick auf die Materialien ermöglichen, die wir so achtlos entsorgen. Das World Trash Center ist für uns auch eine Möglichkeit, direkt mit der Welt in Kontakt zu treten. Da der Holzmarkt ein Touristenmagnet ist, erreichen wir eine Menge Menschen und erfahren auch viel über den Umgang mit Müll in anderen Ländern.
Isabel Ott, Der Garten Öden – The Bleaky Garden of Eden (Detail), 2023, Foto: FRAMERATE MEDIA / Förderverein aquamediale e.V.
CHK: Ihre Arbeit für die aquamediale 15 trägt den Titel “Der Garten Öden – The Bleaky Garden of Eden” und Sie beziehen sich auf das Jahr 2057. Was hat es damit auf sich?
IO: In der Zahlenlehre hat die 57 eine große Bedeutung. Die 5 steht für Veränderungen, Lernen und Anpassungsfähigkeit, Intelligenz und Vielseitigkeit. Die 7 steht für die spirituellen Anteile dieser Fähigkeiten: Frieden, Glaube, Weisheit und Intuition. Meiner Meinung nach brauchen wir das, um die Welt zu verbessern und das Schöne in ihr zu sehen.
CHK: Sie sagen: “Der Garten Öden” dokumentiert die evolutionäre Anpassung der Natur an die Gegebenheiten”. Sehen Sie Zeichen dieses Überlebenskampfes auch vor Ort im Spreewald?
IO: Ich würde das nicht als Überlebenskampf betrachten. Anpassung ist nichts Schlechtes und ein sehr kontinuierlicher Prozess. Ich glaube auch nicht, dass die Natur kämpfen muss, um zu überleben. Sie entwickelt Strategien. Und sicherlich unterliegt auch der Spreewald einem ständigen Wandel. Schließlich greifen wir Menschen auch hier in die Ökosysteme ein.
Die aquamediale ist ein jährlich stattfindendes internationales Festival für zeitgenössische Kunst im Spreewald. Das Spreewalddorf Schlepzig bildet dabei den Ausgangspunkt für künstlerische Interventionen, die sich immer wieder mit hochaktuellen Themen unserer Zeit beschäftigen. So zum Beispiel die aquamediale 13, die sich unter dem Motto „Spreeland trifft ...“ mit Fragen der Globalisierung auseinandersetzte. In diesem Jahr lautet das Thema »UNART NATUR - Mensch prokontra Natur«. Aus einem Open Call heraus bewarben sich 123 Künstler*innen aus 16 Nationen, 10 wurden für die aquamediale 15 ausgewählt. In Zusammenarbeit mit dem Kurator Harald Larisch werden nun die Kunstwerke vor Ort realisiert.
Weitere Informationen zu Isabel Ott:
www.worldtrashcenter.de
Weitere Infos zur aquamediale 15:
www.aquamediale.de und www.kuenstlerhaus-eisenhammer.de
chk
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