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Berlin Daily 27.04.2024
Ausstellung Melting Mountains: Vortrag+Gespräch

17 Uhr: mit Theresa Schubert (Künstlerin) und Ingeborg Reichle (Kunsthistorikerin / Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam). Projektraum MEINBLAU, Christinenstr. 18-19, 10119 Berlin

Zur aquamediale 15: Im Gespräch mit der Künstlerin Imke Rust

von chk (18.08.2023)
vorher Abb. Zur aquamediale 15: Im Gespräch mit der Künstlerin Imke Rust

Imke Rust, einFluss (Detail), 2023, Foto: FRAMERATE MEDIA / Förderverein aquamediale e.V.

Imke Rust ist in Windhoek, Namibia geboren. Sie hat an der Universität von Südafrika Bildende Kunst studiert und war u.a. Stipendiatin des Berliner Künstlerprogramms des DAAD. In ihrer Arbeit erforscht die Künstlerin die Beziehung zwischen Mensch und Natur.

Interview

Carola Hartlieb-Kühn: Sie sind in Swakopmund (Namibia) aufgewachsen. Inwieweit hat Ihre Herkunft Ihre künstlerische Auseinandersetzung mit der Natur geprägt?

Imke Rust: Ich bin auf einer Farm aufgewachsen und in Swakopmund zur Schule gegangen. Die Natur war also schon immer ein wichtiger und selbstverständlicher Teil meines Lebens. Richtig bewusst wurde mir das aber erst, als ich nach Deutschland kam und merkte, wie sehr mir die Natur in der Großstadt fehlte und wie fremd mir der Wald und die Pflanzen waren.
In Namibia hatte ich oft keinen Zugang zu traditionellen Kunstmaterialien oder sie waren zu teuer. Deshalb habe ich schon früh angefangen, in der Natur nach Material zu suchen, mit dem ich arbeiten kann.

CHK: Wo sehen Sie die Verbindung von Natur und Kunst?

IR: Für mich ist das inzwischen die natürlichste und ursprünglichste Verbindung überhaupt. Die Natur ist die große Schöpferin und Lehrmeisterin. Sie bietet eine Fülle an Material und Inspiration, aber sie setzt auch Grenzen und zwingt mich, mich mit Veränderung, Vergänglichkeit und einer gewissen Unberechenbarkeit anzufreunden.
Durch mein kreatives Schaffen in und mit der Natur sowie die Achtsamkeit und dem Fokus, der dadurch entsteht, erlebe ich mich bewusst als Teil der Natur. Auch hoffe ich, durch die Kunst anderen Menschen einen neuen, persönlich-emotionalen Zugang zur Natur zu ermöglichen.

CHK: Mittlerweile leben Sie sowohl in Deutschland als auch in Namibia. Hat sich Ihre Sicht auf die Natur verändert und welche Auswirkungen hat das auf Ihre Kunst?

IR: Es fiel mir schwer, in Deutschland ein Gefühl von Heimat zu entwickeln. Eine alte indianische Weisheit besagt, dass man sich an einem Ort erst zu Hause fühlt, wenn man die Pflanzen und Tiere beim Namen nennen kann. Da ich zu der Zeit auch kein Atelier hatte, war ich viel draußen in der Natur und habe versucht, mich über meine Kunst der Natur anzunähern und ihre Namen und Eigenheiten kennenzulernen. Das hat mir geholfen, anzukommen und auch die Kooperation mit der Natur bewusster zu schätzen. Wenn man die Dinge beim Namen kennt, entsteht auch ein persönlicher Dialog, eine emotionale Bindung. So ist die Natur inzwischen zu einem aktiven Kooperationspartner in meiner Kunst geworden.


Imke Rust beim Aufbau von einFluss (Detail), 2023, Foto: FRAMERATE MEDIA / Förderverein aquamediale e.V.

CHK: Im Spreewald montieren Sie Äste auf Metallstangen, die sich am Ufer entlang schlängeln. Eigentlich eine Arbeit, die sich in die Natur einpasst. Zugleich fällt die Arbeit durch ihre knallrote Farbe sofort ins Auge. Welche Rolle spielt dieser Gegensatz?

IR: Ich spiele gerne mit scheinbaren Gegensätzen, gerade um unser Bewusstsein darauf zu lenken, dass wir die Welt gerne in Gegensätzen denken, dabei aber viel vorsichtiger sein sollten. Statt "entweder oder" sollten wir mehr "und auch" denken. Knallrot ist zum Beispiel nicht unnatürlich - auch die Natur setzt gerne knallroten Mohn in grüne Felder, um ihn besonders sichtbar zu machen.
Ich benutze die Äste, um einen Fluss zu zeichnen, das scheint zunächst als ein Gegensatz von Material und Orientierung zu sein. Aber eigentlich könnte man Äste oder Bäume auch als vertikales Flussbett sehen, in dem Wasser von den Wurzeln bis in die Wipfel transportiert wird. Ich habe nur die Richtung verändert.

CHK: Offensichtlich geht es Ihnen auch darum, die Wahrnehmung zu irritieren. Welche Effekte versprechen Sie sich davon?

IR: Wenn wir irritiert sind, schauen wir genauer hin und werden neugieriger. Mir ist besonders wichtig, dass meine Arbeiten irgendwie greifbar und zugänglich für alle sind. Jede:r soll das Gefühl haben, die Arbeit zumindest auf einer oberflächlichen Ebene zu verstehen, damit man sich nicht gleich verunsichert abwendet. Und die Arbeit soll so ästhetisch sein, dass man sie auch dann genießen kann, wenn man das Gefühl hat, sie nicht zu verstehen. Vielleicht wird man dadurch offener und setzt sich letztendlich doch mit der Irritation auseinander. Aber auch eine kurze Freude oder ein Schmunzeln reichen völlig aus, denn ich möchte die Menschen auf der emotionalen Ebene berühren.

CHK: Sie verwenden bei dieser Arbeit Holz und Eisen? Wie wichtig ist das Material als Bedeutungsträger in Ihrem Werk?

IR: Material spielt für mich als Bedeutungsträger oft eine wichtige Rolle. Auf der einen Seite gibt mir der Ast einfach die praktische Möglichkeit, eine tolle, lange Linie in die Luft zu zeichnen. Auf der anderen Seite ist er aber auch ein Sinnbild für den (vertikalen) Fluss des Lebens.
Die Eisenstangen sind hauptsächlich ein praktisches Mittel, um die Holzlinien scheinbar in der Luft schweben zu lassen.
Die rote Farbe hingegen ist bedeutungsvoller. Sie symbolisiert den Puls unserer Energie, erinnert an Blut. Aber es ist auch eine Markierungsfarbe der Förster. Das heißt, sie deutet auf den Versuch hin, die Natur zu beherrschen oder sich um sie zu kümmern. Und ganz wichtig: Die Farbe ist eine vergängliche Sprühfarbe ohne toxische Inhaltsstoffe.


Imke Rust, einFluss (Detail), 2023, Foto: FRAMERATE MEDIA / Förderverein aquamediale e.V.

CHK: Ihre Arbeit trägt den doppeldeutigen Titel “einFluss” ?

IR: Wir denken oft im Gegensatz von Mensch und Natur. Ich glaube, das ist unser größtes Verhängnis. Wir Menschen sind ein (wichtiger) Teil der Natur und nicht von ihr getrennt. Wir sind alle(s) zusammen ein Energiefluss, der gemeinsam pulsiert. Was wir "der Natur" antun, tun wir uns selbst an. Also sollten wir sehr viel achtsamer sein, denn wer wir sind und was wir tun, beeinflusst ständig alles. Dabei glaube ich, dass unser Sein und unsere (oft) unbewussten Energien noch mehr Einfluss haben, als die Dinge, die wir tun. Wenn ich zum Beispiel bewusst und mit Freude tue, hat das eine andere Energie und damit eine andere Wirkung, als wenn ich es widerwillig oder unachtsam tue.

CHK: Die aquamediale 15 | 2023 steht unter dem Motto „Unart Natur – Mensch prokontra Natur". Inwieweit spiegelt sich dieses Thema in Ihrer Arbeit wider?

IR: Das Thema hat mich etwas irritiert und deswegen hatte ich das Bedürfnis, dem etwas "entgegenzusetzen". Der Mensch kann nicht für oder gegen die Natur sein. Denn wir sind Natur. Ich hoffe, durch meine Arbeit daran zu erinnern, dass es nur ein Miteinander gibt. Das kreative und künstlerische Gestalten ist dafür einer der besten Wege und entspricht unserer menschlichen Natur und Aufgabe.

CHK: Was sind Ihre nächsten Projekte?

IR: Direkt nach meiner Teilnahme an der aquamediale geht es nach Frankreich zum Silv’Arts Festival (auch ein Kunstprojekt in der Natur). Danach nehme ich in Namibia an einem Filmprojekt teil, in dem es um die künstlerische und persönliche Aufarbeitung der Kolonialgeschichte und des Genozids an den Herero und Nama geht. Besonders freue ich mich auch über die Einladung zum KunstTREFFpunkt - einem Festival für Performance im öffentlichen Raum in Darmstadt, kuratiert von Ute Ritschel. Dort stelle ich mein Projekt "Adopt-a-Cloud" vor.

Weitere Informationen zu Imke Rust:
imkerust.com

Die aquamediale ist ein jährlich stattfindendes internationales Festival für zeitgenössische Kunst im Spreewald. Das Spreewalddorf Schlepzig bildet dabei den Ausgangspunkt für künstlerische Interventionen, die sich immer wieder mit hochaktuellen Themen unserer Zeit beschäftigen. So zum Beispiel die aquamediale 13, die sich unter dem Motto „Spreeland trifft ...“ mit Fragen der Globalisierung auseinandersetzte. In diesem Jahr lautet das Thema »UNART NATUR - Mensch prokontra Natur«. Aus einem Open Call heraus bewarben sich 123 Künstler*innen aus 16 Nationen, 10 wurden für die aquamediale 15 ausgewählt. In Zusammenarbeit mit dem Kurator Harald Larisch werden nun die Kunstwerke vor Ort realisiert.

Weitere Infos zur aquamediale 15:
www.aquamediale.de und www.kuenstlerhaus-eisenhammer.de

chk

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