Im Rahmen dieses Tages bieten viele Berliner Moscheen Führungen, Vorträge, Ausstellungen, Folklore, Informationsmaterialien und Begegnungsmöglichkeiten an.
Je dramatischer einem das Leben begegnet, desto individueller kann die künstlerische Arbeit werden, wenn man sie kompromisslos ehrlich und authentisch betreibt. Das gibt einem die Möglichkeit, Ausnahmesituationen als ein Potential zu sehen, welches produktiv ausgeschöpft werden kann.
Urszula Usakowska-Wolff: Spätestens seit Anfang März leben wir in einer Zeit, die von der Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen geprägt ist. Wie hat sich das auf Dich ausgewirkt?
Zuzanna Skiba: Ich fand diese Zeit ganz besonders und wünschte mir, im Jahr immer zwei Monate Lockdown zu haben. Normalerweise gibt es eigentlich zwischen Weihnachten und Silvester ein paar Tage, wo man eine Situation der Orientierung für einen Neustart hat. Man bereitet sich darauf vor, etwas Neues zu entwickeln und man versucht, Dinge zu Ende zu bringen. Die vergangenen Wochen habe ich ebenso genutzt, um nachzudenken, um einfach mal innezuhalten und Konzentration neu zu entwickeln. Das fehlt sehr oft im normalen Kunstbetrieb.
UUW: Welche Erkenntnisse hast Du dabei gewonnen?
ZS: Wenn man die Kunstgeschichte betrachtet, kann man ganz klar sagen, dass bemerkenswerte Arbeiten sich immer aus dem Leben entwickelt haben. Je dramatischer einem das Leben begegnet, desto individueller kann die künstlerische Arbeit werden, wenn man sie kompromisslos ehrlich und authentisch betreibt. Das gibt einem die Möglichkeit, Ausnahmesituationen als ein Potential zu sehen, welches produktiv ausgeschöpft werden kann.
UUW: Hast Du immer Muße zu malen?
ZS: Ich kann nur antworten: Ja, ich habe mein Thema, meine Haltung zum Werk, und das steht somit nie still. Ich mache manchmal eine Arbeitspause, aber das Leben geht ja immer weiter, und das Auge als ein wesentliches Werkzeug sieht ständig und nimmt alles auf, ebenso wie der Geist, Korpus und der Habitus. Alles greift ineinander, und die Elemente funktionieren als Puzzleteile. Schließlich ist es ein fortlaufender Prozess, wie Werkserien. Ich entwickle ein Thema, eine Situation oder verfolge einen Gedankenstrang so lange, bis es wirklich ausgeschöpft ist. Dies kann Jahre dauern.
UUW: Du scheinst auch ein sehr geduldiger Mensch zu sein. In allen Situationen?
ZS: Ich denke schon. Krisengeprüft sind wir als Künstler sowieso, die künstlerische Arbeit erfordert viel Zeit und vor allem Geduld.
UUW: Du zeichnest von Hand, sozusagen aus dem Stegreif, ohne Vorlagen, ohne Radiergummi ...
ZS: Ja, die Konzentration muss stimmen.
UUW: Wieviel Zeit verbringst Du im Atelier?
ZS: Ich bin ein sogenannter schwarz-weiß Typ (lacht), sage ich mal. Es gibt Tage, wo ich hier täglich zehn Stunden verbringe; es gibt aber auch solche, wo ich einfach nichts mache, um mich wieder aufzuladen. Aber wenn ich ins Atelier komme, brauche ich zunächst zwei bis drei Stunden, um alles zu vergessen. Ich denke nach, erledige Telefonate und Organisatorisches, trinke Espresso. Eigentlich muss ich alles erledigen und mich komplett entleeren, um gut in die Arbeit einzusteigen.
UUW: Woran arbeitest Du gerade?
ZS: Es ist so, dass ich tatsächlich während des Lockdowns eine neue Werkserie angefangen habe. Ich habe viele Jahre gezeichnet, wobei die Serie entstand, die ich Magnetfelder nenne. Dann habe ich mehr gemalt und Zeichnungen auf die Malerei gemacht. Während des Lockdowns habe ich angefangen, dies umzudrehen und Malerei auf die Zeichnung zu setzen. Die neue Serie heißt Himmelschichten. Die Basis ist nach wie vor immer eine surreale Landschaftssituation. Ich betrachte die Welt von oben wie ein Vogel, ich nehme die Landschaft aus der Froschperspektive wahr, wechsle die Sicht, mache ein Luftbild daraus, und lege das Magnetfeld sowie andere Flächen darauf.
UUW: Deine Bilder wirken wie Reliefs. Wie erreichst Du diese räumlichen Effekte?
ZS: Meine Bilder haben vier oder fünf visuelle Ebenen. Sie entwickeln sich aus einer realen Landschaft über das Wechseln der Perspektive zu einem abstrakten Gebilde. Ich arbeite mit Ölfarbe, nehme die Kruste, die sich auf dem Farbtopf bildet, einfach mit. Dadurch ergibt sich diese starke Materialität. Außerdem baue ich meine Leinwände nach der alten italienischen Art auf: erst einmal eine gute Grundierung und das Pompejanisch Rot drauf. Dadurch steht die Farbe einfach viel besser. Neulich besuchte mich eine Restauratorin, die sagte, dass durch meine Arbeitsweise mein Bild circa 100 Jahre braucht, um richtig durchzutrocknen. Das ist eine schöne Metapher für die vielen, vielen Schichten, die sich über Jahre entwickeln und stets lebendig sind, weil sie immer noch duften. Sie sagte: „Trocknungsdauer = ein Malerleben.“
UUW: Arbeitest Du sehr lange an einem Bild?
ZS: Ich arbeite immer an mehreren Bildern gleichzeitig. Einige trocknen, einige sind im Zwischenstadium und warten, bis sie wieder dran sind. Normalerweise sind sie hier überall verteilt: auf dem Boden, auf der Staffelei, an der Wand. Wegen Deines Besuchs habe ich einiges weggeräumt.
UUW: In welcher Position arbeitest Du meistens – und wovon hängt das ab?
ZS: Das hängt von der Konsistenz der Farbe ab. Wenn die Farbe richtig fließt, male ich auf dem Boden im Stehen. Wenn ich aber eine Farbe mische und sie ziemlich fest ist, kann ich das Bild an der Wand oder auf der Staffelei lassen. Ich bin eigentlich ein klassisches Malschwein (lacht).
UUW: Fällt es Dir schwer, ein Bild zu beenden, oder wird es nie fertig?
SZ: Nein, nein, meine Bilder sind irgendwann fertig. Aber wenn ein Bild in meinen Augen zu ästhetisch daherkommt, muss ich noch ran. Hier zum Beispiel war eine grüne Landschaft mit grauen Wolken. Dann habe ich das Bild umgedreht, den Himmel und die Landschaft mit einer Form verbunden, die ich aus der Magnetfeldstruktur entwickelte. Durch diese Form haben sich plötzlich zwei Flügel ergeben. Das Ganze scheint jetzt tänzerisch, leicht, rhythmisch zu sein. Ich habe das Bild Bergflügel genannt. Es gibt Bilder, die für mich als Meilensteine funktionieren, wo ich sehe, da fängt etwas Neues an. Es muss im Bild während der Arbeit einen Moment geben, wo ich mich komplett verliere, wo ich nicht mehr genau weiß, was ich mache. Dann gibt es diesen Punkt, an dem eine vollkommene Korrespondenz zwischen mir und dem Bild besteht. Wenn also das Bild von alleine wächst und autonom wird, ist es meiner Meinung nach fertig.
UUW: Wie ich sehe, hast Du jetzt auch die Rundbilder – Tondi – in Dein Repertoire aufgenommen. Ist das der Beginn einer neuen Werkserie?
ZS: Die Rundbilder sind ein bisschen aus der Not heraus entstanden. Das sind eigentlich italienische Käsebehälter, die für mich zu Kosmosobjekten werden.
UUW: Oh! Jetzt kommen wir den Geheimnissen der Kunstproduktion auf die Schliche ...
ZS: Genau (lacht). Ich sammle dies und das. Wenn ich arbeiten möchte, muss ich alles um mich haben, und ich liebe es, aus dem Vollen zu schöpfen. Wenn ich eine Idee habe, muss alles vorhanden sein, um sie künstlerisch umzusetzen. In dem Bioladen, wo ich einkaufe, sah ich diese fantastischen Käsebehälter aus Holz. Sie werden jetzt nicht mehr weggeworfen, sondern für mich aufbewahrt. Meine Arbeiten haben ja auch etwas kosmisches, so eignet sich diese runde Form gut dafür. Einige habe ich bereits verkauft.
UUW: Du hast Deine berufliche Laufbahn als Kartographin begonnen, doch dann hast Du Dich für die Kunst entschieden. Warum?
ZS: Da spielen mehrere Dinge eine Rolle. Ich habe in Bielefeld und in Bad Godesberg die Kartographie-Ausbildung absolviert. Dabei übt man extrem das abstrakte Denken. Das heißt, man hat zum Beispiel am Anfang nur eine topographische zweidimensionale Darstellung mit Nummern und Höhenlinien. Aus diesen Daten muss man eine Geländeschummerung erstellen, bei der eine 3D-Räumlichkeit entsteht. Das alles hat mir sehr viel Spaß gemacht, aber es war für mich klar, ich will stärker in die Abstraktion gehen und das kann ich nur in der Freien Kunst. Die Ausbildung war sozusagen ein Vorgeschmack auf meine künstlerische Laufbahn. Aber der philosophische Ansatz der Kartographie, die Welt von oben zu begreifen, hat sich bei mir verfestigt. Und außerdem habe ich den kartographischen Zeichenschlüssel der Geländeschraffur zum Grundthema meines Werkes gemacht.
UUW: Der Beruf des Kartographen gehört nun der Geschichte an, denn auch die Karten werden heute digital gefertigt.
ZS: Genau, heute nennt man sie Geoinformatiker. Früher war die Kartographie eine hohe Kunst. Man hat nicht nur Karten gezeichnet, sondern sie mit Darstellungen von Menschen, Tieren und Pflanzen versehen. Der Kartograph war zuerst ein angesehener Künstler, dann ein Handwerker, und nun ist er ein Ingenieur. In der Kunst sieht man heute, dass sich die Künstler wieder mit der Verortung, Vermessung und dem Thema der Grenzen auseinandersetzen. Ich glaube, das ist auch ein Ausdruck des Zeitgeistes, sich Fragen zu stellen: „Wo will ich hin? Was sehe ich gerade? Wie geht es hier und heute und in der Zukunft weiter? Wie kann ich das visualisieren?“ Das sind alles Dinge, die man für die künstlerische Arbeit ganz existentiell braucht.
Zuzanna Skiba (* 1968 in Koszalin, Polen, lebt in Berlin) studierte nach einer Ausbildung zur Kartographin Bildende Kunst an der Hochschule für Gestaltung Bielefeld, der Minerva Academie of Art in Groningen (NL) und an der UdK Berlin. Mit zahlreichen Stipendien bedacht, war sie u.a. 2016 Artist in Residence auf der Insel Fruholmen, Nordkap, Norwegen. Ihre Werke sind in öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten wie zum Beispiel in der Artothek des Neuen Berliner Kunstvereins, der Stadt Leipzig und im Skulpturenpark in Tianjin/Beijing, China.
www.zuzannaskiba.com
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Haus am Kleistpark | Projektraum
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Kunsthochschule Berlin-Weißensee