Ai Weiwei, ai Laboratori di Scenografia dell'Opera di Roma, Photo: Yasuko Kageyama, Opera di Roma 2019
So äußert sich einer der prominentesten chinesischen Künstler unserer Zeit, Ai Weiwei, in Turandot. In dem Dokumentarfilm von Maxim Derevianko über seine Inszenierung der gleichnamigen Oper fallen noch andere zunächst irritierende Sätze. Ai Weiwei, der in seiner Heimat Verfolgung, Gefängnis, Misshandlungen und ein Redeverbot erfahren musste, erklärt darin unter anderem, dass er sich weder für Oper noch für Musik interessiert.Wie also kam es dazu, dass ausgerechnet er mit einer der in jederlei Hinsicht kostspieligsten, komplexesten und aufwendigsten Kunstproduktionen überhaupt beauftragt wurde? Im Film wird ausführlich erzählt und erklärt, wie das Teatro dell´Opera di Roma Ai Weiwei für dieses Projekt auswählte und gewinnen konnte. Zunächst nämlich aus dem Grund, dass diese von Giacomo Puccini unvollendet gebliebene Oper in China spielt. Ai Weiwei selbst fügt dem hinzu, dass er 1982 bei der legendären Turandot-Inszenierung von Franco Zeffirelli an der Met in New York eine Statistenrolle innehatte, die ihm damals das Überleben rettete.
Doch der eigentliche Grund für sein Interesse an diesem Riesenprojekt war ein anderer: Ai Weiwei sah die einmalige Chance, all das, was ihn Zeit seines Künstlerlebens um- und antreibt, auf einer berühmten Opernbühne großartig zu visualisieren. Als da wären: sein „Search of Humanity“, sein Engagement für Menschenrechte und Demokratie, seine Kritik an Ungleichheit und Unfreiheit, an Machtmissbrauch, Propaganda und Massenmanipulation. Diese Themen in seine Turandot- Inszenierung zu bringen, die Oper mithin von Ballast und Kitsch zu entkrempeln und auf ein anderes Niveau zu heben, war sein Ziel. Ganz im Sinne Marcel Duchamps, seines erklärten Lehrers, der sagte, dass alles zur Kunst werden kann, erweitert Ai Weiwei diese Überlegung zu „everything is politics“!
Oper also nicht als entspannender Rückzugsort gutbetuchter Bildungsbürger, Kunst nicht zur Aufhübschung des Gefühlshaushalts, sondern als Konfrontation, als Hinterfragung gesellschaftlicher Systeme, als Spiegel globaler Konflikte, Flüchtlingskrisen und Kriege. So transformiert Ai Weiwei die Geschichte um eine hartherzige Prinzessin, die jeden Freier, der es wagt um ihre Hand anzuhalten, tötet, zu einer Plattform politischer Diskurse.
Wie der Künstler dieses Vorhaben im Einzelnen realisierte, wie die Szenen mit den jeweils Beteiligten entwickelt wurden, welche Konflikte und Schwierigkeiten dabei zum Vorschein kamen, lässt sich vielleicht erahnen. Aus den zahlreichen Interviews geht dergleichen jedoch nicht hervor. Denn der Regisseur Maxim Derevianko, der seit 2015 für das römische Opernhaus Werbe-Trailer und Streams produziert, reiht sich gegenseitig lobende Interviewpassagen und Statements aneinander. Erschwerend kommt hinzu, dass der Film bzw. die Inszenierung durch Corona unterbrochen wurde, und es (deshalb?) auch einen DirigentenInnenwechsel gab.
Interessant wird es für diejenigen Zuschauer, die mit Ai Weiweis Kunst bzw. seiner Biographie weniger vertraut sind, durch die eingebauten Rückblenden. Hier kombiniert der Film Ai Weiweis bekannteste Wegmarken, die er mit Videoclips innerhalb der Inszenierung projizieren lässt. Rückblenden seiner unermüdlichen Aufklärungsarbeit über das verheerende Erdbeben 2008 in Wenchuan, seine Verhaftung, die Zerstörung seines Ateliers, seine Freilassung, sowie die sogenannte Regenschirm Revolte in Hongkong. Zahlreiche Nachrichtenclips aus dem Ausland über sein politisches Engagement komplettieren das Bild eines unermüdlichen Kämpfers für Gerechtigkeit und Freiheit. Leider kommt dabei in dem Film die eigentliche Opernarbeit etwas zu kurz. Ganz zu schweigen von der Frage, ob bzw. wie es final gelungen ist, aus dem Märchenstoff ein Brechtsches Belehrungstheater zu machen. Schade, dass es hierzu keine Interviews zum Beispiel mit BesucherInnen der Oper gibt.
Letztendlich ist dieser Turandot- Film vor allem eine Hommage auf Ai Weiwei.
... zum Bundesstart ab 16. Oktober im Cosima ! Aber schon am Freitag, dem 10. Oktober um 20:15 Uhr zu einer Vorpremiere in Anwesenheit des Regisseurs Maxim Derevianko.
U. a. im
COSIMA FILMTHEATER
Sieglindestraße 10
12159 Berlin
cosima-filmtheater.de






