16 Uhr: zwischen der Künstlerin Cornelia Herfurtner und David Polzin im Rahmen der Ausstellung "Die Kids sind nicht alright!". Galerie Adlershof im Kulturzentrum Alte Schule | Dörpfeldstraße 54-56 | 12489 Berlin
Harmlose Geschichten, angesiedelt auf mediterranen Terrassen, darüber ein wolkenloser Himmel, inklusive störungsfreiem Abend(B)rot. So oder so ähnlich wünschen sich vielleicht manche der wohl oder übel zu Hause Gebliebenen das Kinoprogramm im Sommer.
Und jetzt: „Helle Nächte“. Der Filmtitel klingt zwar eher harmlos und passend zur Jahreszeit, ist aber alles andere als konventionelle Sommerkost. „Lieber ein Arbeitsurlaub in Kasachstan als Sommercamping in Norwegen!“, lautete eine bissige Kritik nach der Film-Premiere bei der Berlinale 2017, wo der Film als deutscher Beitrag im Wettbewerb lief. Ja, hier geht es in der Tat um ein nicht nur klimatisch mutiges Antidot zu all den feel-good-movies, mit denen wir pausenlos berieselt werden. Denn „Helle Nächte“ ist nicht nur ein nachdenklicher und schöner, sondern auch ein kluger und humorvoller Film. Ein Film, der die Zuschauer nicht für so blöd hält, wie es manche in der Branche gerne hätten. Dazu fantastische Schauspieler, allen voran Georg Friedrich (Silberner Bär 2017 als bester Darsteller) und die einzigartige Kamera von Reinhold Vorschneidet (Deutscher Filmpreis 2017 für „Wild“).
Der Inhalt ist schnell erzählt. Michael, ein in Berlin lebender Bauingenieur, Marke kauzig-kantig, erfährt zu Beginn gleich dreierlei familiäres Unbill: seine Lebensgefährtin verlässt ihn, sein Vater ist verstorben und seine Schwester will weder von ihm noch von der Beerdigung des Vaters etwas wissen. Also fliegt Michael zusammen mit seinem 14-jährigen Sohn Luis (Tristan Göbel/Tschick), zu dem er jahrelang keinen Kontakt mehr hatte, ins nördliche Norwegen. Dort hat der Verstorbene lange gelebt. Luis kommt mit, nicht weil er seinen Vater kennen lernen will, sondern weil ihn interessiert „wie Opa gelebt hat“. Die beiden Männer - der Vater, der plötzlich kein Sohn mehr ist, und der Sohn, der plötzlich einen Vater hat – sind damit für die Zeit der Reise aneinander gebunden. Sie mieten einen großen Wagen, suchen das Haus des Verstorbenen auf, erledigen einige Formalitäten und stehen am Ende trostlos vor dem frischen Grab.
Doch dann geht es weiter. Widerwillig lässt Luis sich auf die Fortsetzung der gemeinsamen Reise ein. Es folgen Übernachtungen im Zelt – immer wieder gibt es diese Einstellung von den beiden schlafenden Männern – eine Panne, ein Streit, eine längere Wanderung. Vor allem aber viel Schweigen auf langen Autofahrten durch die menschenleere Landschaft. Schroff, unwirtlich und steinig ist dieser nördlichste Teil Europas, wo man selbst in den Sommermonaten nicht auf die Wollmütze verzichtet (Luis) und die ausbleibende Dunkelheit zur Qual wird (Michael). Die auf ihre Urform reduzierte Landschaft „die Berge sehen aus wie im Herr der Ringe“ (Luis) ist keine Aufmunterung, weder für unsere Blicke noch für unsere Gefühle. Nirgendwo eine zivilisatorische Ablenkung, dazu das ständig wechselnde Wetter. Für die beiden Männer eine Herausforderung, mehr noch als für Luis gilt dies für Michael, der vielleicht stellvertretend für die Verhärtungen des erwachsenen männlichen Subjekts steht. Seine Annäherungsversuche sind eine unbeholfene Melange aus schlechtem Gewissen, Neugier und Überforderung. Luis bleibt seinem Alter entsprechend cool, gelangweilt, dann und wann auch zornig. Obwohl er sich vorzugsweise mit dicken Kopfhörern panzert, spricht ihn in einem Camp ein Mädchen an. Sie ist Fan einer norwegischen Black-Metal-Band. Es folgt eine völlig unerwartete und auch eine der zahlreichen humorvollen Szenen des Films, als in einem kurzen Clip die schräge Musik und die dazu gehörigen „wüsten" Protagonisten eingeblendet werden.
So wie Michael seinen Sohn in Begleitung dieses Mädchens beobachtet, so beobachten auch wir die langsamen Veränderungen im Verhältnis der beiden – und wenn wir wachsam sind auch in unserer eigenen Wahrnehmung.
Diese Veränderungen sind fein gestrickt, kaum merklich. Bis es zu einer fast vierminütigen Fahrt durch immer dichter werdenden Nebel kommt. So als säßen wir selbst am Steuer, geht es eine kurvenreiche Schotterstraße entlang, immer weiter leicht bergauf durch steiniges Gelände, rechts und links nur noch die Schneeleitstäbe. Diese entziehen sich, ebenso wie alle anderen Konturen der Landschaft, zunehmend der Sichtbarkeit - bis nur noch ein milchiges Kino-Leinwand-Bild bleibt.
In keiner Weise an die Welt des Sichtbaren anzuknüpfen war Plan von Kasimir Malerisch, der vor fast genau 100 Jahren sein weißes Quadrat schuf. Ein Bild, farb-, glanz- und raumlos, ohne Komposition, befreit von jedweder Geschichte, von jedwedem Gegenstand – damals eine Provokation. Auch Thomas Arslans Entscheidung für diese Kamerafahrt provoziert. Wenn wir nichts mehr sehen bzw. zu sehen bekommen, sind wir ganz auf uns selbst zurückgeworfen, auf unsere eigenen Phantasien, Gefühle und Erwartungen, die wir pausenlos mit uns herumschleppen. Nicht zuletzt wird uns hier deutlich, was Kino überhaupt ist: Bilder, die im Erscheinen verschwinden.
Der Film geht dann aber doch noch weiter …
Im Rahmen der Ausstellung Thomas Arslan im n.b.k (siehe unserer Ausstellungsbesprechung)
Donnerstag, 25. / Mittwoch, 31. Juli 2024, 20 Uhr
Arsenal
Potsdamer Straße 2
10785 Berlin
Titel: Helle Nächte (D/NO 2017, 86 min, OmeU)
Schauspieler*In: Georg Friedrich, Tristan Göbel, Marie Leuenberger, Hanna Karlberg
Regie: Thomas Arslan
Drehbuch: Thomas Arslan
Kamera: Reinhold Vorschneider
Titel zum Thema Filmbesprechung:
E.1027 - Eileen Gray und das Haus am Meer
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Dorthin, wo man nichts mehr sieht ….
Filmbesprechung zu Thomas Arslan - Helle Nächte (2017) im Rahmen der Ausstellung des Filmemachers Thomas Arslan im n.b.k
Heute im Kino Arsenal.
Verbrannte Erde - Thomas Arslan
Filmbesprechung: Verbrannte Erde, so heißt der neue Film von Thomas Arslan, der einfach alles kann: Western, Road-Movie und Thriller.
(Filmstart 18.7.Juli 2024)
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In den Uffizien - ein Dokumentarfilm von Corinna Belz und Enrique Sánchez Lansch
Heute auf 3SAT | 22.20 Uhr: Unsere Filmbesprechung
Die Frau des Dichters. Über die Malerin Güler Yücel.
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Besprochen von Daniela Kloock, die sich auf art-in-berlin Fotografieausstellungen sowie Veranstaltungen im Kunstkontext widmet und vor allem leidenschaftlich Filme schaut.
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Filmbesprechung: Schräge Vögel, Individualisten und jede Menge Außenseiter fanden sich in der Subkultur Ostberlins der 1980er Jahre. (Daniela Kloock)
Rumänisches Kulturinstitut Berlin
GG3 - Galerie für nachhaltige Kunst
Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V.
Kommunale Galerie Berlin
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