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Berlin Daily 28.04.2024
Künstlerinnengespräch + Performance

14 Uhr: mit Yalda Afsah und Sati Zech. Mod.: Julia Meyer-Brehm. Performance von Rozhina Rastgoo im Rahmen der Ausstellung "A Home for Something Unknown"(Kooperation: Haus am Lützowplatz / n.b.k.) Haus am Lützowplatz, Lützowplatz 9, 10785 Berlin

I´am Not Everything I Want to Be

von Daniela Kloock (24.02.2024)
vorher Abb. I´am Not Everything I Want to Be

I’m Not Everything I Want to Be
Land: CZE, SVK, AUT 2024
Regie: Klára Tasovská
Sektion: Panorama 2024
© Libuše Jarcovjáková


Ein großartiger Film über die tschechische Fotografin Libuše Jarcovjáková, der eigentlich kein Film ist ...

Libuše Jarcovjáková ist heute ein Star. Der „New Yorker“ nennt sie die "tschechische Nan Goldin", andere vergleichen sie mit Diane Arbus. Dabei wurde die 1952 in Prag geborene Künstlerin erst vor wenigen Jahren von der internationalen Fotografieszene entdeckt. Ihre bis dahin weitgehend unbekannten Schwarz-Weiß-Bilder aus den späten 1960er, 70er und 80er Jahren zeigen ein Leben, ihr Leben, in einer unfreien Welt hinter dem Eisernen Vorhang auf eine einzigartige Weise - roh und direkt, mutig und offen.

Schon früh stand für Libuše Jarcovjáková fest, dass sie Fotografin werden wollte. Es war die Zeit des „Prager Frühlings“, ein Studium blieb ihr, die aus einer Künstlerfamilie stammte, verwehrt. Sie muss arbeiten. Erste Fotoserien entstehen. Atmosphärisch starke Bilder rauchender, trinkender, schlafender Menschen in einer Druckerei. Alles andere als fleißig Arbeitende. Und Tristesse überall. Das war nicht das, was die offiziellen Organe des Staates sehen wollten. Genauso wenig wie alles andere, was sie sonst fotografierte. Prager Roma-Familien, vietnamesische Fremdarbeiter, vor allem aber das Nachtleben im sogenannten T-Club. Der einzige Ort, an dem sich die queere Szene Prags treffen konnte, wo all die Unangepassten, die Outdrops feierten. Und Libuše Jarcovjáková war drei Jahre lang jede Nacht mit ihrer Kamera dabei.

Alles hat sie obsessiv dokumentiert, Alkoholexzesse und sexuelle Ausschweifungen, vor allem aber sich selbst. Ihr Gesicht, ihre Affären, ihren Körper - nackt, in der Badewanne, beim Masturbieren, beim Sex oder nach ihren Abtreibungen. Keine Lebensäußerung, die nicht im Bild festgehalten wird. Als sie wegen ihrer Fotos aus dem T-Club Probleme mit der Polizei bekommt, ermöglicht ihr eine arrangierte Ehe die Ausreise nach West-Berlin. Wenig später stellt sich bei einem Aufenthalt in Tokio der erste Erfolg ein. Sie erhält den Auftrag für eine Serie der Modegruppe „Comme les garcons“. Doch das ist nicht das, was sie auf Dauer machen will. Sie kehrt zurück nach Berlin, später nach Prag, immer auf der Suche nach ihren Gefühlen. Erregung und Sehnsucht, das müsse in ihren Bildern spürbar sein, sagt sie in einem Interview, sonst zählten sie nicht.

Der tschechischen Regisseurin Klará Tasovská gelingt mit "I'm not Everything I Want to Be" ein Meisterwerk. Sie montiert die unzähligen Fotografien so, dass das Leben der Künstlerin in seinen intimsten, schwierigsten und wichtigsten Momenten nachvollziehbar wird, ein Leben, welches bestimmt war von der Existenz und vom Untergang der Sowjetunion. Dass Libuše Jarcovjáková anhand ihrer Tagebuchaufzeichnungen die Bilder kommentiert, wir also ihre Originalstimme hören, trägt entscheidend zur authentischen Atmosphäre bei. Musik und Soundeffekte werden nur spärlich, aber gekonnt eingesetzt. Ein abwechslungsreicher, sehr musikalisch und letztendlich flüssig wirkender Rhythmus der Montage lässt uns schon nach kurzer Zeit vergessen, dass wir keinen Film, sondern Einzelbilder sehen. Atemberaubend ist das! Ein großes Geschenk, ein absolutes Highlight der BERLINALE!

Zu sehen in der Sektion PANORAMA (Dokumente)

www.berlinale.de


Daniela Kloock

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